Suche:     

Vom Ich-Wissen zum Wir-Wissen

Rezensionen

Fazit der Rezension von Prof. Dr. Alexa Köhler-Offierski auf www.socialnet.de:
Die vorgestellte Publikation ist eindrucksvoll sowohl wegen der Vielzahl persönlicher, bewegender Lebensgeschichten, die in den Interviews durchscheinen, die Aufrichtigkeit in der Auseinandersetzung mit den genannten Themen und dem EX-IN Projekt als auch wegen der feinfühligen Interviewführung durch die Autorin. Das Einführungskapitel, in dem ein Überblick über das Anliegen und die Themen von EX-IN gegeben wird, und die Schlussbetrachtungen, die eine Zusammenfassung aus Sicht der Interviewerin darstellen, halten diesen Strauß zusammen. Die Lektüre sei sowohl denen empfohlen, die Mut-Mach-Geschichten suchen als auch denen, die sich über EX-IN etwas genauer und aus der Perspektive von TeilnehmerInnen informieren wollen.
Hier geht's zur kompletten Buchbesprechung auf www.socialnet.de

Tom Klein in: Psychosoziale Umschau:
Mit dem Blick zurück nach vorn
Wer wissen möchte, was EX-IN ist, will und kann, sollte „Vom Ich-Wissen zum Wir-Wissen lesen. Die Genesungsbegleiterin Bettina Jahnke interviewte für ihr Buch viele Teilnehmer, aber auch Dozentinnen ihres eigenen EX-IN Kurses 2009/2010 in Köln.
In 14 Kapiteln stellt uns die Autorin 14 Kursabsolventinnen und -absolventen vor. Alle Beteiligten sind Psychiatrie- Erfahrene oder Angehörige. Eingeleitet werden die Interviews durch eine kompakte und auch für Nichtkenner des EX-IN Kosmos leicht verständliche Zusammenfassung der Methodik und der Module, d.h. der Lehr- und Lerneinheiten.
Ein großes Anliegen formuliert Frau Jahnke im Vorwort: „Die Vielstimmigkeit ist ein wichtiger Anspruch dieses Buches. Es vermittelt Ihnen einen Eindruck davon, welche persönlichen – auch krisenhaften – Entwicklungen sich EX-Inler stellen, um sich selbst zu klären und darüber hinaus einen engagierten Beitrag zu leisten für die soziale Rehabilitation psychisch kranker Menschen, die die Hoffnung auf Genesung im Sinne eines Recovery-Prozesses nicht aufgeben.“
Bettina Jahnke hat diesen Anspruch nicht nur eingelöst, sondern auch einiges darüber hinaus getan: Sie zeigt, wie das EX-IN-spezifische „Wir-Wissen“ durch den Kurs entwickelt und gefördert wird. Der eigentherapeutische Nutzen der Ausbildung wird dabei genauso wertschätzend bedacht wie die Hoffnung, mit EX-IN in Arbeit kommen zu können.
Bettina Jahnke ist über ihre psychiatrische „Erfahrungsprofession“ hinaus eine versierte Journalistin. Diese Kombination birgt eine Tücke. Die Journalistin möchte aufdecken und berichten, die Psychiatrie-Erfahrene will loyal und diskret sein gegenüber den Kurs-Kollegen. Glücklicherweise versucht die Autorin nirgends, eine der Rollen hinter der anderen zu verstecken. So gelingt es ihr, beiden mehr als gerecht zu werden. Dabei hilft ihr das außergewöhnliche Talent, sich wie ein „Seelengast“ in Menschen einzufühlen. Die Interviewten spüren dies offenbar, denn sie lassen sich auch auf heikle Fragen offen ein und sprechen freimütig über sich und ihr Leben.
Die Kursabsolventen berichten von den Erfahrungen in der Ausbildung, von persönlichen Rückschlägen und Erfolgen während des gemeinsamen Jahres, sie reflektieren ihre Vergangenheit und entwickeln Pläne, wie sie die Psychiatrie mit ihrem Beitrag verändern können. Deutlich wird ihre Motivation, im Feld der Psychiatrie konstruktiv mitzuwirken – oder genau dies sein zu lassen.
Die Untertitel der Interviews verweisen auf jene Ausbildungsmodule, die den einzelnen Gesprächspartnern besonders am Herzen liegen. Wir erhalten mithin fachkundige Einblicke in die Module Recovery, Beraten & Begleiten, Krisenintervention usw.
Das schafft einen Rahmen und ist lehrreich. Viel bemerkenswerter finde ich aber, was auf der zweiten Ebene geschieht: wie selbstverständlich und wohl durchdacht die Interviewten ihre Ideen zu einer bedarfsgerechten Psychiatrie vortragen. Sie beruhen auf den Erfahrungen dessen, was sie ändern mussten in ihrem Leben, um besser mit Krisen umgehen, bzw. nahende Krisen abwenden zu können. Oder wie sie die Erfahrungen der Ausbildung in ihren Alltag, ihre Freizeit integrieren, in ihre neue Arbeit im ambulanten oder klinischen Psychiatriebetrieb.
Fast unmerklich für uns Lesende verknüpft sich alltägliches und krisenhaftes Erleben der Einzelnen mit Erkenntnissen und Erfahrungen aus der Ausbildung und den darin geleisteten Praktika. Während wir lesen, verwandelt sich auch unser Ich-Wissen zu Wir-Wissen. Das Buch atmet eine Atmosphäre von Aufbruch und gesundem Stolz, von furchtloser Rückschau und kritischem Selbstblick. Gewürzt mit Humor, Klugheit und Sensibilität wird es rasch zu einem Lesevergnügen. Es lohnt sich für jeden psychiatrisch Tätigen, dieser Einladung zu folgen: „Lasst uns auf das offene Meer fahren, damit wir den Überblick bekommen.“ (S.136)

Elke Hilgenböcker in: Soziale Psychiatrie:
Wege zum Erfahrungsexperten
„Vom Ich-Wissen zum Wir-Wissen“ bezeichnet einen Grundsatz der EX-IN Ausbildung. Unter Ich-Wissen wird das Ergebnis der strukturierten Reflexion der eigenen Lebens- und Leidensgeschichte verstanden. Zum Wir-Wissen wird es durch den Austausch mit anderen, indem man an den Erfahrungen der anderen teilhat und wiederum die eigene Erfahrung weitergibt. Dabei geht es darum, „einen gemeinsamen Erfahrungshorizont zu erschließen, denn neben einem individuellen Sinn lohnt sich auch die Suche nach einem kollektiven Sinn von psychischen Grenzsituationen, die uns gemeinhin als Störungs- und Krankheitsbilder erscheinen“ (S.14)
Was dies konkret bedeutet, erschließt sich bei der Lektüre des Buches in unterhaltsamer Weise. Die Journalistin Bettina Jahnke stellt in vierzehn Interviews die Trainerinnen und Teilnehmenden des ersten EX-IN-Kurses in Köln vor, an dem sie auch selbst teilgenommen hatte. Eine kurz gehaltene Einleitung informiert über EX-IN und die Methodik des Kurses und stellt die Kursmodule sowie Fachbegriffe vor. So werden knapp und präzise die Module des Grundkurses (Salutogenese, Empowerment, Erfahrung und Teilhabe, Recovery, Trialog) und des Aufbaukurses (Fürsprache, Selbsterforschung, ganzheitliche Bestandsaufnahme, Beraten und Begleiten, Krisenintervention, Lehren und Lernen, Portfolie) beschrieben. Die Gespräche, die Jahnke führt, behandeln jeweils ein Modul des Grund- und des Aufbaukurses, die sich die Interviewten im Vorfeld als Themenschwerpunkt aussuchten. Die Modulthemen vergisst man aber schnell, denn in den Interviews lernen wir vielmehr die Menschen kennen, deren Lebenswege sich im EX-IN-Kurs begegnen.
Der Kurs ist für alle eine prägende Erfahrung, in die sie uns mit hineinnehmen. So vermitteln die Gespräche einen Eindruck davon, was eine Ausbildung zum Genesungsbegleiter, zur Genesungsbegleiterin ausmacht. Im Vorbeigehen lernen wir viel über den Ablauf eines EX-IN-Kurses und beginnen zu verstehen, warum Genesungsbegleiter mit dem EX-IN-Kurs eine ganz eigene Qualifikation erworben haben. Bei aller Kurzweiligkeit der Lektüre wird in jedem einzelnen Interview aber auch deutlich, das EX-IN eine tiefe, zuweilen sehr schmerzhafte Auseinandersetzung mit sich selbst und mit den anderen Teilnehmenden ist.
Bettina Jahnke hebt dies durch ihren Interviewstil hervor. Sie fragt weniger, als dass sie mit ihren Gesprächspartnern diskutiert, gemeinsam Erlebtes bewertet und zuweilen ihre eigene Erfahrung als Kontrapunkt zum Bericht der Interviewten setzt. Auf diese Weise wird klar, dass „Wir-Wissen“ weder eine Vergleichbarkeit von Erfahrungen noch eine oberflächliche Harmonie herstellt. Es ist auch ein Anerkennen der eigenen wie der fremden Erfahrungen, die mit allen Widersprüchen und Gegensätzen, aber auch mit den Gemeinsamkeiten nebeneinanderstehen können und dürfen.
Nicht zuletzt regen die Gespräche beim Lesen zur eigenen inneren Auseinandersetzung an. Auf diese Weise kann man sein eigenes, kleines „Vom Ich-Wissen zum Wir-Wissen erleben. Wer also schon immer wissen wollte, was es mit diesen EX-IN Qualifizierungen auf sich hat, dem sei dieses Buch empfohlen. Einen so profunden und gleichzeitig unterhaltsamen Zugang zum Thema wird man sonst schwerlich finden!

Verena Liebers in: Eppendorfer
Erfahrung ist ein großer Schatz
„Vom Ich-Wissen zum Wir-Wissen“ – Das Buch zum Projekt EX-IN

EX-IN ist die Abkürzung für „experienced involvement“, also die Erfahrung, beteiligt oder eingebunden zu sein. Gemeint ist die Erfahrung einer psychischen Krankheit und infolgedessen möglicherweise auch der Psychiatrie. Man kann die „EX-INler“ also auch als Ehemalige bezeichnen, so wie es bei Klassentreffen üblich ist. Sie sind Schüler, die vom Leben gelernt haben, und genau darum geht es in diesem Buch.
Bettina Jahnke ist selbst psychoseerfahren, aber darüber hinaus auch Journalistin. Beide Fähigkeiten sind die Basis zu diesem Buch. Anhand von Interviews bringt Jahnke dem Leser Ziele und Möglichkeiten von EX-IN nahe. Eine einjährige Ausbildung ermöglicht es, die mit Krisen erfahrenen Menschen zu Genesungsbegleitern auszubilden. Ziel ist es, diesen Beruf als Brücke zwischen Betroffenen und Ärzten und Krankenpflegern zu etablieren. Gerade weil die EX-INler am eigenen Leib erfahren haben, wie sich psychische Krisen anfühlen, und weil sie andererseits weder therapeutisch noch medikamentös eingreifen sollen und dürfen, sind sie Ansprechpartner der ersten Stunde. Erfahrung soll nicht nur als gelegentlicher Beitrag von Ehrenamtlichen, sondern als wertvolle und deshalb auch bezahlte Ergänzung zum bestehenden Angebot eingesetzt werden. Voraussetzung ist natürlich eine intensive Selbsterfahrung der EX-INler.
Die einjährige Ausbildung zum Genesungsbegleiter ist in verschiedene Module gegliedert. Die fünf Basismodule umfassen die Themen Gesundheit und Wohlbefinden, Empowerment, Erfahrung und Teilhabe, Recovery und Trialog. Im Aufbaukurs werden die Module Selbsterforschung, Fürsprache, Assessment, Beraten und Begleiten, Krisenintervention sowie Lehren und Lernen erarbeitet. Dabei geht es weniger um Fakten als mehr um eine Aufbereitung der eigenen Erfahrung. Das „Ich-Wissen“ des Betroffenen muss reflektiert, geordnet und in eine Gemeinschaft eingebunden, also zum „Wir-Wissen“ werden.
Da diese Ausbildung keinem gewöhnlichen Bildungsweg entspricht, hat Bettina Jahnke den klugen Weg gewählt, die Teilnehmer eines EX-IN Kurses zu interviewen. Ihre Fragen richten sich anhand der Module aus, aber trotzdem spiegelt jedes Gespräch einen sehr persönlichen Lebensweg wider. Die Teilnehmer schildern, wie sie zum Kurs kamen, wie sie teils während der anstrengenden Arbeit erneut erkrankten und wie sie gerade daran erlernen konnten, was es bedeutet, auf die eigenen Ressourcen zurückzugreifen oder Empowerment zu leben, also selbstbestimmt und verantwortlich zu sein.
Neben den Interviewten finden sich noch allgemeine Erklärungen zur EX-IN Bewegung in dem Buch sowie weiterführende Internetadressen.
Die Interviews lesen sich spannend und geben über die Arbeit des Genesungsbegleiters hinaus eine Idee davon, wie Lebensläufe trotz psychischer Schwierigkeiten gelingen können. Ebenfalls wird deutlich, dass EX-IN eine wichtige Idee ist, die ebenso wie der Trialog in Psychoseseminaren erst am Anfang steht.
Die Wertschätzung jedes Einzelnen mit seiner individuellen Erfahrung ist für den konstruktiven Umgang von Menschen miteinander außerordentlich wichtig. Aber es ist noch keine Selbstverständlichkeit. Respekt für den anderen bedeutet aber auch, Grenzen zu kennen und zu setzen. Hier besteht gerade im Bereich der Psychiatrie noch vielfältiger Diskussionsbedarf. Das Buch liefert einen wichtigen Beitrag dazu.

Rezension von Bettina Busch:
Bettina Jahnke ist Journalistin und Genesungsbegleiterin (ein Begriff aus der EX-IN-Ausbildung, der die grundsätzlich positive Grundhaltung hinter dem Konzept schon alleine in diesem Wort zum Ausdruck bringt). Bettina Jahnke schreibt und interviewt auch aus eigener Erfahrung, und damit ist ihr Buch eine großartige Kombination aus angemessener Emotionalität, Einfühlungsvermögen, Toleranz des Andersartigen, aber auch präziser journalistischer Qualität und Kompetenz.
Meines Wissens gibt es bisher kein derartiges Buch über diesen ja auch noch sehr neuen Ansatz des EX-IN- Konzeptes, von Experienced-Involvement, in Deutschland.
Bezeichnend ist, wie die verschiedenen Teilnehmer ihr Erleben und das Wirken der Erfahrungen jeweils anders und aus anderen Blickwinkeln schildern, alle aber immer völlig authentisch erscheinen.
Die Mischung aus Schulung, also allem, was im EX-IN Kurs erarbeitet wurde, der Erfahrung/dem Erleben und der beruflichen Erfahrung und Kompetenz machen Bettina Jahnke zur besten nur denkbaren Autorin für ein solches Buch und sie hat es fantastisch verstanden dies umzusetzen. Das Lesen fällt auch Laien leicht.
Dieses Buch wird hoffentlich dazu beitragen, dass sich das EX-IN Konzept und die Kurse noch schneller verbreiten.

Rezension von: Irren ist menschlich e.V., Verein für Psychiatrie-Erfahrene in und um Regensburg:
(...) Um zum Experten aus Erfahrung zu werden, müssen die angehenden EX-IN Genesungsbegleiter den Umgang mit ihrer eigenen psychischen Erkrankung reflektieren. Dabei tauschen sie sich innerhalb der EX-IN-Ausbildungsgruppe aus und gelangen vom Ich-Wissen zum Wir-Wissen, indem sie über ihre persönlichen Erfahrungen mit ihrer Erkrankung sprechen. Die Qualifizierung als EX-IN Genesungsbegleiter bildet dazu aus, anderen von einer psychiatrischen Erkrankung betroffenen Menschen in Krisen weiterhelfen zu können. Die Ausbildungsteilnehmer beschäftigen sich mit Fachbegriffen wie Inklusion, Empowerment, Recovery, Salutogenese, Trialog, Resilienz etc., die sie auch in den Interviews mit Bettina Jahnke reflektieren. EX-IN zeigt, dass die Professionalisierung von Betroffenen ein sinnvoller Weg in der psychiatrischen Versorgung sein kann.
In ihrem Buch stellt Bettina Jahnke zunächst das Projekt EX-IN, die Methodik sowie die Fachbegriffe und Module kurz vor. Es folgen vierzehn Interviews mit EX-IN-Teilnehmern und Trainern. Dr. Angelika Filius spricht über Empowerment & Lehren/Lernen, Arend Harms über Empowerment, Krisenintervention & Selbsterforschung, Dr. Michael Herrmann über Recovery & Beraten/Begleiten, Günther Höfel über Erfahrung/Teilhabe, Fürsprache und Selbsterforschung, Irmela Boden über das Portfolio und die Gruppendynamik, Sabine Joel über Salutogenese & Assessment, Margarete Koopmann über Trialog & Selbsterforschung, Ursula Müller über Selbsterforschung, Gruppendynamik und neue Entwicklungsperspektiven, Arno Neuhaus über Recovery, Selbsterforschung & Beraten/Begleiten, Silke Oberhäuser über ihren steinigen Recoveryweg, Torsten Schilinsky über Trialog, Selbsterforschung und die Arbeit als Genesungsbegleiter, Dr. Karl Steinhäuser über Empowerment & Fürsprache, Jana Westphal über Salutogenese & Lehren/Lernen, Klaus Zaloudek über Erfahrung/Teilhabe & Krisenintervention.
Das Buch ist ein wichtiger Beitrag zur Etablierung des EX-IN-Programms in Deutschland. Die Interviews geben interessante Einblicke in die Ausbildung und stellen einige Teile des Curriculums vor. Auch viele persönliche Herausforderungen, denen sich die Teilnehmer stellen, um eine Qualifizierung als Genesungsbegleiter zu erlangen und den Schritt vom Ich-Wissen zum Wir-Wissen zu gehen, werden beschrieben. Die Interviews sind sehr individuell auf die einzelnen EX-IN Teilnehmer und Trainer zugeschnitten, die sich mit ihren persönlichem Erfahrungen und ihrem Profil einbringen können. Alle, die über eine Mitarbeit oder Teilnahme am EX-IN-Projekt nachdenken, sei dieses Buch nachdrücklich empfohlen! (S.A.)

Rezension von Prof. Th.R. Payk:
Die Journalistin und Genesungsbegleiterin Bettina Jahnke hat ein Buch mit dem griffigen, aber sehr zutreffenden Titel „Vom Ich-Wissen zum Wir-Wissen“ herausgebracht, das sich mit einer neuen Selbsthilfe-Komponente trialogisch ausgerichteter Psychiatrie befasst: der Unterstützung psychisch Kranker durch sog. Ex-In-Genesungsbegleiter (von „Experienced-Involvement“), d.h. ehemals selbst Erkrankte. Die Autorin gibt neben der gut lesbaren Einführung über 200 Seiten in prägnanter Form Interviews mit 12 – hauptsächlich depressions- und psychoseerfahrenen – Personen wieder, die sich im ersten Kurs 2010 zum „Ex-In“ ausbilden ließen, wobei auch zwei Dozenten zu Wort kommen. Der Text vermittelt ob seiner Lebendigkeit und Authentizität nicht nur Aufschluss über das Engagement und die Kompetenz, mit denen an diesem sinnvollen sozialpsychiatrischen Pilotprojekt gearbeitet wurde, sondern auch darüber, wie eine diesbezügliche Professionalisierung integriert werden könnte. Die Gespräche geben zudem Einblick in die Erlebnisse und Erfahrungen der Betroffenen während der Krankheitsphase und lassen erkennen, was geholfen hat, aber auch, was verbesserungsbedürftig ist und wie mit welchen Belastungen künftig umzugehen wäre. Neben der konzentrierten, verständlichen Wiedergabe beeindruckt der ebenso einfühlsame wie zielstrebig-klare Fragestil der Autorin. Entbehrlich sind m. E. indes Anglizismen wie „Empowerment“, „Recovery“ oder „Assessment“, deren Übersetzung ins Deutsche weniger technokratisch klingt. Im Ganzen stellt das Buch einen nicht nur einen Gewinn für jeden dar, der mit Psychiatrie zu tun hat(te), also im wahrsten Sinne des Wortes "Psychiatrie-Erfahrener“ ist, sondern für alle in sozialen Bereichen Tätige.

Rezension von Dr. Arnhild Köpcke in: Sozialpsychiatrische Informationen:
Einfühlsam interviewt Bettina Jahnke die EX-IN Absolventen und fasst am Schluss des Buches zusammen: Vom Ich- Wissen zum Wir-Wissen bezeichnet einerseits den Aufbruch aus der Isolation in einen gemeinsamen Kosmos, etwas, was man nur für sich hatte, stellt man einer gewissen Öffentlichkeit zur Verfügung. So ist das Preisgeben von Ich- Wissen ein Akt des Vertrauens in die Gruppe.
Andererseits erkennen die Anderen sich wieder in dem, was das jeweilige umtreibt
und man stellt fest, nicht allein zu sein mit dem je eingenen Erleben, macht die Erfahrung, dass es noch andere Menschen gibt, die die spezifisch private Welt gemeinsam haben.
„Liebe Deinen Nächsten, denn er ist Du selbst“ (I. Lévinas).
Indem der Hörer einer Lebensgeschichte sich auf die Suche macht, bei sich zu finden, was der Andere mitteilt. Diese Suche von Individuum zu Individuum bringt die Annäherung untereinander. Der Andere ist nicht länger der Bewohner eines anderen Planeten, sondern findet sich inmitten der Vielen.
EX-IN Ausbildung zum Genesungsbegleiter lehrt vor allem, dass Menschen mit psychischen Störungen bei aller Verschiedenheit, die sich nicht nur in den verschiedenen Diagnosen wiederfindet, doch etwas Gemeinsames haben und dass die Gräben zwischen ihnen überbrückt werden können.
Es gibt manche, die die Meinung vertreten, es gäbe in Wahrheit nur eine psychische Erkrankung, die viele Gesichter hätte. So äußert sich einer der Interviewten, er habe alle psychiatrischen Diagnosen durchgemacht im Laufe seiner Patientenkarriere.
Die Befragungen erfolgen direkt, doch nicht suggestiv, die Interviewerin geht feinfühlig auf die zu Befragenden und vermag es bei Jedem eine andere Saite zum Klingen zu bringen, die die Vielseitigkeit unterstreicht.

Christine Theml in: Nicht ohne uns:
Die Idee, Psychiatrie-Erfahrene in die psychiatrische Versorgung mit ihrem Expertenwissen aus eigener Erfahrung einzubeziehen, gibt es schon eine Weile, auch schon praktische Beispiele. Vorangegangen ist die Erfahrung, dass psychische Erkrankungen heilbar sind. Der Begriff der Salutogenese (Gesundheitsfördernde Haltungen) von Aaron Antonovsky hat zur Grundlage, dass man sich den eigenen Weg selbst bahnt und sich nicht auf die Medikamente verlässt. Empowerment (Selbstbefähigung) ist das Gegenteil zu erlernter Hilflosigkeit. Recovery (Genesen/Wiedererstarken) ist ein Konzept, das sich inzwischen in verschiedenen Varianten entwickelt hat und nach Wendepunkten im Leben sucht, die in die Krise führten und auch wieder hinausführten oder führen.
„Recovery ist kein Weg, der uns zurückführt und wieder zum Funktionieren bringt. Recovery ist ein Entwicklungsprozess. Recovery setzt Veränderungen in Gang und am Ende steht etwas Neues.“, kann man auf S. 53 lesen. Das ist natürlich kein leichter Prozess. „Es sind die Gummibänder der Vergangenheit, die die Menschen immer wieder in die alten Muster zurückziehen.“ (S. 53) Es geht darum, den roten Faden in der Lebensgeschichte zu finden. Dazu gehört auch das Benennen der Leuchtpunkte im Leben, mit der die Ich-Erfahrung begann. (S.81) Dann kann EX-IN helfen, d.h. eine Befähigung über Module, ein Bildungsprozess, um zum Genesungsbegleiter aus Erfahrung zu werden.
Dieses Buch basiert schon auf gemachten Erfahrungen mit EX-IN. Bettina Jahnke interviewt einige ihrer eigenen Kursteilnehmer, mit denen sie 2010 in Köln den ersten EX-IN Kurs absolvierte.
„Mit welchen Hoffnungen und Erwartungen sind sie gestartet? Welche Erkenntnisse und Entwicklungen hat der EX-IN Kurs bei ihnen angestoßen? Was können sie mit einem EX-IN Zertifikat in der Tasche in neuen Arbeitsfeldern und darüber hinaus gesellschaftlich bewirken? (S. 10)
Diese und andere Fragen stellt Bettina Jahnke und die Antworten von 14 interviewten EX-INlern haben es in sich durch Aufrichtigkeit, Nachdenklichkeit, Verschiedenheit, Treffsicherheit gegenüber den Fragestellungen, auch Zukunftsfähigkeit. Das ist nämlich auch neu, dass über sehr Persönliches, was man sich im Kurs mitteilt, öffentlich reflektiert wird. Alle reden über das Wunder der vertrauten Atmosphäre, die schnell entsteht im Kurs, die schon bei den Eignungsgesprächen entstanden ist. Das kommt vor allem von der gleichen Augenhöhe, von der man so viel hört, die so selten gelingt. Man hat Respekt voreinander, vor der Würde des anderen.
„In mir erkenne ich heute eine tiefe Sehnsucht zu einem gemeinsamen Verständnis, einem Miteinander-Teilen von Erfahrungen … Schon früh hatte ich das Verstummen erlebt, wenn kurze Erzählungen über den Krieg und die Flucht an emotionale Verwundungen rührten, und hatte dadurch das Schweigen als einzig sinnvolle Reaktion gelernt und auch beibehalten. Mit der EX-IN Methode sehe ich eine reelle Chance, das Schweigen und Schonen bei psychischen Erkrankungen zu lösen, eine Brücke des gegenseitigen Verständnisses füreinander zu bahnen.“ (S.80) Damit ist das vom Ich-Wissen zum Wir-Wissen gemeint. Man kann eher andere begleiten, wenn man nicht nur die eigene Perspektive hat. Es ist ein sehr wesentlicher Schritt, den Blick von sich weg auf andere richten zu können. Das ist ein Lernprozess, der auch mit Veränderungen der inneren Haltung zu tun hat. Darüber wissen wir so wenig, weil das Mittel des Drucks doch schneller zu Hand ist als das Verstehen und Würdigen des anderen.
Es sind sehr verschiedene Menschen, die im Kurs aufeinandertrafen und nun von ihren Erfahrungen und Veränderungen berichten. EX-IN wird auch als Methode erläutert, die zu solch produktiven Ergebnissen führen kann. Das Buch ist auch dann ein Gewinn, wenn man nicht vor hat, solch eine Ausbildung zu machen. Das Buch macht Mut auf ein eigenständiges Leben.

Wolfgang C. Goede in: daz, Deutsche Angst-Zeitschrift:
... Jetzt wollen Psychiatrie-Erfahrene das Selbsthilferad weiterdrehen. Treibstoff und Werkzeug dafür liefert das Buch der Diplom-Journalistin Bettina Jahnke „Vom Ich-Wissen zum Wir-Wissen“. Es ging ihr wie viele anderen Menschen heutzutage, die sich überlastet fühlen. Hektik am Arbeitsplatz und Existenzangst, Alleinerzieherinnen-Stress, eine Trennungskrise. Am Ende erlitt sie psychotische Schübe und landete in der „Geschlossenen“. In jener Abteilung eines psychiatrischen
Krankenhauses, wo viele Mitmenschen den Horror an sich vermuten, erfuhr sie Einsicht, Läuterung
und den Wendepunkt ihres Lebens.
Aus Erfahrungen, vielen Gesprächen und Reflexion erwuchs ihr neuer Beruf: EX-IN-Genesungsbegleiterin (von „EXperience INvolvement“). Aufgrund ihrer praktischen Patienten-Expertise sieht sie sich als neuen, konstruktiven Bestandteil des psychiatrischen Versorgungssystems.
In ihrem Buch stellt sie die Gründe dar. In vierzehn, zum Teil bedrückenden Interviews mit Schicksalsgefährten leuchtet sie die psychiatrische Praxis aus. Ein starres System, das an einen Kasernenhof erinnert, das den Menschen mit Diagnosen „an seine Krankheit fesselt“, statt seine Weiterentwicklung zu stimulieren, ihn als „Protagonisten und Dramaturgen seiner eigenen Geschichte“ zu begreifen.
Schön plastisch das Bild von der Skipiste: Während die von der Pathogenese geprägte Schulmedizin und Psychiatrie sie mit Bäumen und Gletscherspalten voller Gefahren und Krankheiten begreift, setzt die Salutogenese auf Ermutigung; wie der Mensch heil und beschwingt den Berg hinabwedelt und unten glücklich ankommt.
EX-INler fühlen sich Letzterem verpflichtet und haben für die professionelle Genesungsbegleitung
einen Lehrplan ausgearbeitet. Wer das Curriculum mit einem Zertifikat abschließt, qualifiziert sich für eine Tätigkeit in der Akut- oder Sozial-Psychiatrie, Rehabilitation, Forschung und Lehre, so schreibt die Autorin. Wie das Angebot von den Experten angenommen wird, darüber erfährt man wenig – vielleicht ist es noch zu früh dafür?
Ist das Modell singulär, nur für Psychiatrie-Erfahrene?
Manchmal liest, oder besser vielleicht nur fühlt man in dem Buch, wenn Psychotiker über sich erzählen: Durch ihre Schübe kommen sie den Höhen, Tiefen und Kern des Menschseins möglicherweise näher als „Normal-Kranke“?
Dennoch, spannend für die Anschlussdiskussion: Ob sich die EX-IN-Philosophie auf andere Selbsthilfekonzepte wie Angst, Depression, Burnout übertragen lässt? Könnte der Ansatz mit
seinem Ausbildungs-, Zertifizierungsund Weiterbildungsprogramm sogar einen Professionalisierungsschub in der Selbsthilfe auslösen?
An Mut und Durchsetzungskraft fehlt es Bettina Jahnke nicht. Sie hat mittlerweile eine Stellung als Sozialarbeiterin und ist Vorsitzende des Vereins „Inklusion durch Experten aus Erfahrung“ (IdEE). In dieser Eigenschaft adressierte sie unlängst ein Symposium psychiatrischer Experten mit der
Absicht, die Barrieren in den Köpfen der Psychiatrie-Mitarbeiter niederzureißen.
In ihrem Vortrag warb sie dafür, für jede Klinik und Reha-Einrichtung die Stelle eines „Inklusionsbeauftragten“ mit eigener Kranken- und Genesungsgeschichte zu schaffen, sozusagen als professionelle Schnittstelle zwischen Medizinern und Patienten. In ihrem Schluss-Satz schrieb sie als Ziel für das Gesundheitswesen fest: „Wir. Dienen. Menschen. Nicht Systemen!“

Sabine Kraus in: Kontakt:
„Vom Ich-Wissen zum Wir-Wissen“, so lautet das Motto von EX-IN, einem Projekt, bei dem Psychiatrie-Erfahrene bei der Behandlung anderer miteinbezogen werden sollen. Diese Menschen, die selbst schwere psychische Krisen überwunden haben, können anderen durch ihr persönliches Vorbild neue Hoffnung auf Genesung und mehr Mut zur Eigenverantwortung vermitteln.
Um die Qualität der Hilfe gewährleisten zu können, werden Psychiatrie-Erfahrene im Rahmen des Projektes zu EX-IN Genesungsbegleitern ausgebildet. Die Qualifizierung zum Genesungsbegleiter wurde eigens entwickelt und umfasst elf Ausbildungsmodule. Die Ausbildung gliedert sich in einen Grund- und einen Aufbaukurs. Im Grundkurs liegt der Schwerpunkt auf der Reflexion der eigenen Geschichte. Erst indem die Teilnehmer die eigenen Erfahrungen systematisch betrachten, sammeln und strukturieren, wird daraus Ich-Wissen. Ich-Wissen bedeutet außerdem, aus Krisenerfahrungen Erklärungsmodelle abzuleiten, die einen individuelleren Sinn ergeben.
Im Grundkurs müssen folgende Module absolviert werden: Salutogenese (=Gesundheitsfördernde Haltung/ bei EX-IN: eigene Krisen-Bewältigungsressourcen), Empowerment (=Selbstbefähigung/bei EX-IN innerer Emanzipationsprozess, durch den sich Menschen aus der Hilflosigkeit in die Eigenverantwortung bewegen), Erfahrung/Teilhabe (=Idee, viele individuelle Erfahrungen zusammenzutragen, um daraus kollektive Empowerment-Strategien abzuleiten), Recovery (=Genesen/bei EX-IN: Biografiearbeit, bei der psychisch erschütterte Menschen Wendepunkte ihres Lebens in Beziehung zueinander setzen, um wiederum zum Protagonisten ihrer eigenen Geschichte zu werden), Trialog (gleichberechtigter Erfahrungsaustausch zwischen Psychiatrie-Erfahrenen, Angehörigen und Professionellen).
Im Aufbaukurs steht hingegen der Perspektivwechsel im Fokus, bei dem die Teilnehmer einander an ihrem Ich-Wissen teilhaben lassen. Durch den Austausch bildet sich im Wir-Wissen eine neue Perspektive heraus: Was gibt es an weiteren hilfreichen Haltungen und Strukturen in psychischen Notlagen, die ich bislang noch gar nicht für mich entdeckt habe. Die Teilnehmer entwickeln sich somit innerhalb der Ausbildung vom „Betroffenen“ zum Erfahrenen-Experten.
Die Autorin interessiert sich aber vor allem für die subjektive Wahrnehmung der Teilnehmer. Sie stellt sich die Frage: „Mit welcher Hoffnung und Erwägung sind die Teilnehmer gestartet?“ Außerdem wollte sie erfahren, welche Erkenntnisse und Entwicklungen der Kurs bei den Teilnehmern angestoßen hat. Um diese Fragen zu klären, interviewte sie 14 Teilnehmer zu je zwei Modulen.
Den Beitrag einer Teilnehmerin über das Modul Empowerment möchte ich an dieser Stelle herausgreifen: Die Teilnehmerin berichtet, dass Empowerment für sie viel mit der Kraft und Freiheit des Nein-Sagens zu tun hat. Sie erzählt von ihrer sehr christlichen Erziehung und der dahinterstehenden Erwartung, jeden lieben zu müssen und nicht „Nein“ sagen zu dürfen, was auf Dauer nicht gut geht. Sie berichtet, dass sie nie besonders durchsetzungsfähig gegenüber anderen war, dass sie lieber gemocht werden wollte und lieber ihre Aggressionen zurückhielt. EX-IN hat ihr geholfen, ihre Erwartungen an sich selbst, immer nett, freundlich und harmlos zu sein, aufzubrechen. Für sie war das eine echte Befreiung. Sie berichtet außerdem von der enormen Power, die sie in dem Kurs verspürt hat, und von dem Mut und dem Stolz aller Teilnehmer, den sie trotz der Verletzung haben. „Die Kraft, sein eigenes Ich zu entdecken, dafür einzutreten und es in die Welt hinauszutragen, ist einfach enorm.“
„Konfliktfähigkeit und Ausdruck echter Gefühle waren nie meine Stärke. Heute weiß ich, dass Empowerment aber genau damit zu tun hat. Und damit, mein eigenes Leben in die Hand zu nehmen und daraus das zu machen, was ich persönlich für sinnvoll und wichtig halte. Klar war ich damals beruflich erfolgreich und habe sogar einen Doktortitel. Klar war ich eine begehrenswerte Frau und habe viel Anerkennung bekommen. Aber wofür? Für Rollen, die ich ausgefüllt habe. Das alles hatte wenig mit mir und mit meiner Seele zu tun. Das erste Mal, dass ich aus dieser Rolle ausgebrochen bin und mich von diesen Etiketten losgerissen habe, war während meiner psychischen Ausraster. In meiner ersten Psychose kam eine Wut in mir hoch, die ich niemals für möglich gehalten hätte.“
Sie sieht Empowerment aber auch als einen Gemeinschaftsprozess. Wir haben nur ein völlig falsches Bild davon, was Gemeinschaft wirklich ist, und denken, sie bestünde nur dann, wenn wir uns permanent anpassen und Kompromisse schließen. Ich sehe uns alle vielmehr als 'Spiegel', die wir brauchen, um uns selbst zu verstehen.“

Renata Bleichenbacher in: Pro Mente Sana:
Bettina Jahnke ist Journalistin, Absolventin des Studiengangs „Experienced Involvement“ (EX-IN) und arbeitet als Genesungsbegleiterin auf einer Sozialarbeiterinnenstelle. In ihrem Buch beschreibt sie zunächst sehr anschaulich und interessant, was das Konzept des „Experienced Involvement“ beinhaltet und wie die Ausbildung gestaltet ist. EX-IN Genesungsbegleiterinnen in Deutschland haben eine ähnliche Ausbildung und die gleiche, große Motivation wie wir Peers in der Schweiz.
In einem ersten Schritt des Studiengangs werden die eigenen Erfahrungen systematisch betrachtet, gesammelt und strukturiert. Daraus entsteht das wichtige „Ich-Wissen“, das nötig ist, um überhaupt andere Menschen begleiten zu können. „Ich-Wissen“ bedeutet, aus der Krisen- und Lebenserfahrung Erklärungsmodelle abzuleiten, die einen individuellen Sinn ergeben. Ist die Vergangenheit eingeordnet und verständlich, dann ist die Orientierung geklärt und der Weg in die Zukunft geebnet.
In einem zweiten Schritt lassen die Kursteilnehmer einander an ihrem „Ich-Wissen“ teilhaben. Durch diesen Austausch bildet sich das „Wir-Wissen“ und somit eine neue Perspektive: Es geht nun darum, weitere hilfreiche Handlungen und Strukturen in psychischen Notlagen kennenzulernen. Die Ausbildung ist in verschiedene Module mit wichtigen Schwerpunkten aufgeteilt, darunter Salutogenese, Empowerment, Recovery, Vulnerabilität, Resilienz, Fürsprache, Beraten und Begleiten, aber auch Krisenintervention. Wichtig ist hier festzuhalten, dass dies keine Wissenschaft aus dem Lehrbuch ist, sondern eine Erfahrungswissenschaft: EX-IN-Studierende füllen die Fachbegriffe mit Leben.
Im zweiten Teil des Buches lässt Bettina Jahnke mehr als die Hälfte der MitabsolventInnen ihres Studiengangs zu Wort kommen. In feinfühligen Interviews hält sie die ganz persönlichen bewegenden Erfahrungen der Einzelnen fest. Die Erzählungen zeigen den schwierigen, aber letztlich auch befreienden Weg zur ganz persönlichen Gesundung auf. Das großartige, interessante und aufschlussreiche Buch macht deutlich, was Betroffene mit einer entsprechenden Ausbildung mitbringen – nämlich eine riesengroße Erfahrung und die Fähigkeit, aufgrund ihres Erlebens andere Menschen in einer Krise zu unterstützen, zu begleiten und ihnen dabei zu helfen, ihren eigenen Gesundungsweg zu finden.

Dieter Bach auf: www.lehrerbibliothek.de
Das ist ein neues, auf Erfahrung basierendes Konzept in der Psychiatrie: Psychiatrie-erfahrene Menschen bilden sich in einem Grund- und Aufbaukurs im ersten EX-IN-Kurs in Nordrhein-Westfalen zum zertifizierten EX-IN-Genesungsberater aus. In 14 Interviews wird in diesem Buch verdeutlicht, dass jeder EX-INler ein Unikat ist, der sich den persönlichen und krisenhaften Entwicklungen stellt und für sich klärt, um aus dieser eigenen Erfahrung heraus und darüber hinaus einen engagierten Beitrag zu leisten für die soziale Rehabilitation psychisch kranker Menschen, die die Hoffnung auf Genesung im Sinne eines Recovery-Prozesses nicht aufgeben. Die angehenden EX-IN Genesungsbegleiter reflektieren zunächst ihre eigenen Wendepunkte und Bewältigungsstrategien im Umgang mit ihrer psychischen Erkrankung. Im intensiven Austausch in der Gruppe erweitern sie ihren individuellen Erfahrungshorizont. Im nächsten Schritt lösen sie sich mehr und mehr aus ihrer Betroffenenrolle und proben den Perspektivwechsel, um am Ende ihrer Qualifizierung als Genesungsbegleiter anderen Menschen in Krisen beizustehen.


zurück  zurück