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Brückenschlag Band 4, 1988

Leseprobe

Ursula Strobel-Müntzel

Helfergedanken

Ich tue Dir
keinen Gefallen
mit meiner ewigen Fürsorge
und meiner vielen
guten Ratschläge
bedarfst Du
keinesfalls.
Unter unbeirrter
Ãœberanstrengung
versuche ich indessen
bis auf weiteres
meine eigene
Trostlosigkeit
zu übertünchen.


Roman Nououde (pseud.)

lautlos

Weiss. Ein weisses Zimmer mit geraden Wänden und flacher Decke. Die Decke war fest auf dem Raum, fiel nicht herunter, die Wände hatten keine Zähne. Weiss. Wuppertaler weiss. An der Wand hing ein Bild. Ein Gebilde, ein weisser Strich war auf ihm gezeichnet, hingesetzt, und in einem Bilderbogen verschwand der weisse Strich im Bild. Die Fläche: weiss. Wuppertaler weiss. Und niemand ging flöten, als er an dem Bild vorbeiging, es hing, die Decke entfernt über ihm, weiss, Wuppertaler weiss. Der Strich ging in die Wand. Die Wand ging in die Ecke, und der Boden versank in staubiger Salheit. Gesalbte Farbe, gesalbter Strich. Weisser Strich, der in die weisse Farbe der Wand ging, hineinlief, hineinstieg. Sich verstieg, auf die Decke stieg, auf einen Berg stieg, aufs Dach stieg, herniederkam und zurückkehrte in sein ursprüngliches weisses Gewand. Weisse Farbe. Der Strich, dünn. Sehr dünn, manche sagten, man sieht ihn nicht. Sie gingen vorüber. Lautlos. Die Lautlosigkeit der Decke verband den Strich mit dem weiss der Fläche. Der Strich-ungeheuerlich? Die Wahrheit mag man nicht sagen, aber die Lautlosigkeit des weissen Striches war seine Kühnheit. Ein kühner Strich. Hingesetzt. Gestrichen. Weiss gestrichen? Lautlos. Lautlos gemacht, erschienen, gemacht, erschienen, hier. Irgendwo. Irgendwann. Vielleicht gestern. Der Strich denkt nicht. Er glänzt nicht. Weisse Farbe. Weisser Strich. Matt. Sehr matt, schwach, zu schwach, sich nicht haltend. Die Decke. Weiss. Kahler Raum? Lautlosigkeit schwebt in sturmigen Fetzen einer schwachen Hand. Die Erde bebt unter der Last des weissen Striches, die Farbe hält. Das Gewand der Freude? Obdachlos? Nein, eine Decke, in der Ferne von dem weissen Strich, dem wuppertal weissen Strich. Gemälde. Manjana. An der Decke. Mädchen mit feuchten Augen malen unbekümmert Striche in weisser Nacht. Weisse Striche in wuppertaler weiss. Wer kümmert sich? Die Erde bebt. Der Strich, die Striche. Mädchen mit feuchtglänzenden Augen. Woher? Von der Strasse. Majo. Irgendwo. Lautlos. Die Lautlosigkeit in der Stille zerbricht den glasigen Blick eines Majaneros. Er stiert auf die Striche. Es geht. Er geht, ein Majanero, er versteigt sich zu seiner Entäusserung. Hunger. Und dann geht er. Der Raum ist verlassen in gelber Nacht. Vom Nachmittag bis zum Morgen sind es siebzehn Stunden. Die Ärztin schickt die Patientin auf einen Strich. Gehen sie, sagt sie. Gehen sie auf dem Strich. Nein, sagt die Patientin. Die Ärztin wirft einen prüfenden Blick. Gehorchen sie. Nein, sagt die Patientin. Die Ärztin beruhigt: Geschlagen werden sie nicht, aber die Spritze. Sie bekommen eine Spritze. Statt des Stockes. Hier wird gehorcht. Ich bin Dr. Sie sind eine Irre. Eine Patientin.

Der wuppertal weisse Strich sieht nichts. Lautlosigkeit hält sich im Raum. Der Mann raucht. Lautlos betrachtet er den Strich, seine Augen heben sich zur Decke des weissen Raumes, er sieht Licht. Manjana, sagt er, und farewell. Ich weiss alles.


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