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Der Sinn meiner Psychose

Leseprobe

Aus dem Schreibaufruf zu dem Buch: "Der Sinn meiner Psychose":

– „Das sind Halluzinationen, die nicht der Wirklichkeit entsprechen. Sie sollten sich ausruhen.“
– „Ich gebe Ihnen eine Tablette, dann geht es Ihnen wieder besser.“
– „In diesem Zustand kann ich nicht mit Ihnen reden.“
– „Sie haben eine Erkrankung des Hirnstoffwechsels. Damit müssen Sie lernen zu leben und es wird nicht ohne Medikamente gehen ...“


Solche oder ähnliche Sätze fallen wohl täglich in deutschen (Akut)Psychiatrien.
Nach wie vor lautet die medizinische Lehrmeinung: Psychosen sind Krankheiten, die mit Medikamenten so eingedämmt und beherrscht werden müssen, dass die Betroffenen einigermaßen damit leben können. Eine Heilung ist ausgesprochen unwahrscheinlich.

Psychoseerfahrene Menschen selbst erleben es oft anders: Vielleicht brauche ich in den akuten Angstzuständen, in der absoluten Krise der Verwirrung, Hilfe durch Medikamente, aber vor allem möchte ich verstehen, was da in und mit mir vorgeht.
Um das ausloten, erforschen, verstehen zu können, brauche ich menschliche Begleitung, der ich vertrauen kann, die erreichbar und verlässlich ist, die mir Mut macht, die an mich glaubt, die mich vielleicht auch fragt und konfrontiert, die mir aber vor allem beisteht in schweren Zeiten und die Hoffnung (stellvertretend für mich) nicht verliert.

Sie berichten davon, dass für diese Wünsche psychiatrische (Akut)Kliniken in der Regel denkbar ungeeignete Orte sind, sodass sie sie meiden, weil sie sich dort eben nicht aufgehoben und verstanden fühlen und oft sogar das Gegenteil erlebt haben.
Wenn sie andere Wege suchen und die gewünschte konstruktive Begleitung zum Beispiel durch Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ihres Vertrauens oder auch durch andere psychoseerfahrene Menschen finden, dann sagen sie vielleicht über sich:
Ich habe mich auf die Suche danach gemacht, was „meine Psychose mir sagen will“.
Ich bin dahintergekommen, warum gerade ich mit meiner persönlichen Geschichte so etwas erlebt habe, welchen Sinn meine Psychose für mich hat, worauf sie mich hinweist, was ich in Zukunft in meinem Leben, im Umgang mit mir und meinen Mitmenschen ändern sollte, um zufriedener zu werden.
Ich weiß nicht, ob das nun „Heilung“ bedeutet, vielleicht werde ich auch in Zukunft Psychosen durchleben, aber ich kann gelassener mit ihnen umgehen, weil ich schon ein paar Antworten gefunden habe.
Vielleicht werde ich mich (auch) in Zukunft mit Medikamenten „abschirmen“, wenn es zu heftig wird, vielleicht werde ich mich auch für eine regelmäßige medikamentöse Unterstützung entscheiden, aber das möchte ich selbst bestimmen und traue es mir jetzt auch zu.

Der alten Doktrin der Schizophrenie bzw. der Psychosen als in sich sinnlose, unheilbare Gehirnkrankheiten, denen ausschließlich mit Medikamenten begegnet werden kann, steht mittlerweile das vielfache Erfahrungswissen zahlreicher Betroffener gegenüber, deren Fazit lautet:
Erst als ich offen wurde, um auf die Suche nach der für mich stimmigen „Botschaft“ meiner Erkrankung zu gehen, konnte ich die mal ängstigenden-verstörenden, mal inspiriert-euphorischen Erlebnisse in mein Leben integrieren.
Es gibt keine Garantie, aber es lohnt sich, diese individuellen Erfahrungen von gelingender „Sinnsuche“ zu beschreiben und öffentlich zu machen.
Das könnte helfen, die alte Doktrin noch weiter aufzuweichen und angemessenere Unterstützungsangebote zu verwirklichen.
Dafür soll dieses Buch entstehen, in dem ca. zwanzig psychoseerfahrene Menschen ihren persönlichen Sinnsuche-Weg beschreiben, auf dem sie nicht (alleine) auf die Pharmazie vertraut, sondern sich konstruktive Begleitung (Selbsthilfegruppen, EX-IN, Psychotherapie etc.) gesucht haben.


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