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Brückenschlag 18/2002

Leseprobe

„Erzähl mir was“, sagte ich. „Eine Geschichte, die wahr ist.“
„Jaja“, sagte der Großvater langsam und wiegte den Kopf. „Du und die Geschichten, die wahr sind.“ Er stützte die Arme auf der Tischplatte ab, griff nach dem Glas Roten. Ich schaute zu, wie er trank. Auf dem Tisch war ein roter Kringel, die Platte war weiß wie Salz. Der Großvater stellte das Glas auf den Tisch zurück.
„Man trägt Geschichten mit sich rum“, sagte er und nickte dabei. „Mit sich rum wie einen Sack Kartoffeln; um sie einem andern aufzubinden.“ Er strich mit den Fingern über die Adern der Hand. Die kreuz und quer liefen.
Strich darüber, als suche er einen Anfang und Verzweigungen.
„Es sind keine schönen Geschichten, die wahren und die man lang genug herumschleppt“, sagte er noch. Und dann fing er an.
Viele Jahre ist es her, seitdem der Großvater mir die Geschichte vom Alois Gruber erzählt hat. Den scheinbar urplötzlich das Verrücktsein gepackt hat. Aus irgendeiner dunklen Ecke gepackt und nie mehr losgelassen.

aus: Michael Wenzel: „Der verückteste Mensch im Dorf“


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