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„Liebster Fabian, deine Mutter ist sehr krank ...“

Rezensionen

Jörg Schüller in: TABU:
Es ist ein fesselndes Buch und zählt zu den Büchern, die man verschlingen kann. Ich finde, es ist ein ideales Buch, um zu begriefen, was psychische Krankheit ist. Ganz konkret ist mir der Gedanke gekommen: Man sollte es in den Schulen vor dem Abitur lesen lassen.

Irmgard Manno-Kortz in: Dr. med. Mabuse:
In ihrem Buch hat Lilo Rombach ihre eigene Lebensgeschichte und die Lebensgeschichte ihrer an Schizophrenie erkrankten Tochter Julia aufgeschrieben. Fabian, Julias Sohn, ist in erster Linie der Adressat dieser Biographie. Er soll die Wahrheit über seine Herkunft erfahren, wenn er eines Tages fragt: „Warum bin ich bei Pflegeeltern aufgewachsen? Wurde ich nicht geliebt?“ Nur der genaue Bericht seiner Großmutter wird seine Fragen beantworten können.
Denn Fabians Eltern, Julia und Louis, sind zu krank. Uroma Henny und Oma Lilo sind vielleicht nicht mehr am Leben, ebenso Opa Willi, der sich sowieso um nichts gekümmert hat.
Damit also Fabian versteht, was geschehen ist, schreibt Lilo für ihren Enkel die Geschichte seiner Mutter Julia auf.
Doch nicht nur Fabian erfährt wichtige Einzelheiten. Lilo Rombach nimmt uns als Leser mit in ihr Leben und das ihrer Tochter Julia. Wie in einem Film mit Rückblenden begleiten wir Julia durch die Phasen ihrer schweren Erkrankung, der Schizophrenie. Wir erleben Julias Einsamkeit und Zerrissenheit, aber ebenso den Einsatz ihrer Mutter für ihre psychisch kranke Tochter.
Ich habe das Buch mittlerweile dreimal durchgelesen. Nach dem ersten Durchlesen musste ich mich erst eine Zeit lang erholen, zu intensiv hatten mich die beschriebenen Ereignisse und Emotionen erschüttert. Lilo Rombach erzählt sachlich, ehrlich, ungeschönt und mit vielen Details. Die schöne Julia, liebenswürdig und gescheit, dann zunehmend zerfahren und unberechenbar aufgrund ihrer Krankheit, wird für den Leser lebendig. Mit spürbarer Sympathie vorgestellt wird Louis, Julias Freund, der immer dann, wenn es brenzlig wird, leise und vergeblich seine Hilfe anbietet: „Ich bin ja auch noch da.“ Und schließlich Lilo, die Großmutter, die mit hohem Krafteinsatz mehr oder weniger erfolgreich für möglichst viel Normalität sorgt.
Für alle Angehörigen von psychisch kranken Menschen ist Lilo Rombachs Buch empfehlenswert. In ihren Erfahrungen spiegeln sich die Erfahrungen, die wahrscheinlich jeder in ähnlicher Situation machen wird, hoffentlich stellenweise etwas weniger belastend. (Als ich las, wie Lilo Rombach ihre Kämpfe mit Behörden und sozialen Einrichtungen schildert, packte mich mehrfach das Entsetzen: Das kann ja wohl nicht wahr sein!) Das Verständnis des Lesers für die Auswirkungen der Krankheit fördert Lilo Rombach durch einige passende, leicht verständliche Kommentare aus der modernen Fachliteratur.
Lilo Rombachs wünscht sich eine Gesellschaft, in der psychisch kranke Menschen sich nicht schämen und verstecken müssen, sondern auf Verständnis und Mitgefühl treffen, wie es bei jeder anderen unverschuldeten schweren Krankheit der Fall wäre. Ihr Buch trägt dazu bei, dass diese Hoffnung sich verwirklicht.

Christine Theml in: Nicht ohne uns:
Die Autorin ist die Großmutter, die ihrem Enkel Fabian die Geschichte seiner an Schizophrenie erkrankten Mutter – ihrer Tochter – aufgeschrieben hat.
Es ist eine Chronik entstanden, die von den Hoffnungen und Träumen des jungen Mädchens Lilo berichtet, von ihrer schnellen Heirat mit Willi, der, zu ihrer beider Unglück zwar körperlich stark, aber charakterlich schwach war. Die kleine Tochter Julia musste bald ohne den Vater aufwachsen, ihre Mutter – die Autorin – trägt die ganze Last der Sorge um die Tochter und sich.
Aus den schwierigen Lebensumständen kann der Ausbruch einer Hebephrenie bei Julia im 17. Lebensjahr auch abgeleitet werden. Das Buch ist von dem schweren Kampf der Mutter um ihre so sehr geliebte Tochter Julia dominiert, später kommt der Kampf um den Enkel, um den noch Ungeborenen wie um das Baby hinzu. Schmerzhaft ist es zu lesen, wie die Bürokratie in unserem Land funktioniert, wie herzlos, wie gleichgültig, wie unlogisch (aus der Sicht der fast alle Lasten tragenden Großmutter). Obwohl Julia bald eine Betreuerin, eine Rechtsanwältin, erhält, muss sich die Mutter um alles kümmern.
Als die Tochter, die eine psychiatrische Behandlung verweigert, in einen völlig verwahrlosten Zustand gerät, ohne dass eine Suizidgefahr vorliegt, wendet sich die Mutter an den Richter: „Meine Tochter ist so krank, dass man ihr ihr Kind wegnehmen darf, sie bekommt nicht einmal Besuchstermine, dann erwartet man trotz ihrer Krankheit, dass sie sich um diese Termine und alles kümmern soll, wie ein Gesunder, was sie aber nicht kann. Es wird von ihr erwartet, dass sie anruft. Kein Anruf, kein Besuchstermin! Aber ihr selbst helfen, das darf niemand.“ (S.163)
Zum besseren Verständnis sei gesagt, dass Lilo Rombach sich Vorwürfe von den sogenannten Professionellen anhören muss, dass sie sich so um die Tochter kümmert. Sie verschleiere deren Zustand, sie müsse „ganz klare Linie ziehen“ (S.106). Sogar in der Angehörigengruppe entstehen Missverständnisse. Julia sieht oft sehr gut aus, andere Eltern beneiden Lilo Rombach, ein anderes Mal gibt die Autorin zu, dass ihr die Kraft für unerfahrene hinzukommende Angehörige in der Gruppe allmählich fehlt.
Eine der Stärken des Buches sind neben der unbedingten Authentizität die Einschübe von Passagen aus der Fachliteratur, vor allem Asmus Finzen wird mehrfach zitiert. „Schizophrene Kranke mit einer Störung des Wollens und des Handelns bedürfen der aufsuchenden Hilfe.“ (S.98) (Der Gesetzgeber hat inzwischen das Instrument der Soziotherapie geschaffen, in der Praxis ist es kaum anwendbar, weil die Zulassungsbedingungen äußerst kompliziert gestrickt worden sind. – C.T.)
Die tief berührenden Aufzeichnungen hat Lilo Rombach tatsächlich für den Enkelsohn aufgeschrieben. Die Veröffentlichung in einem Buch, herausgegeben vom Paranus-Verlag, geschah mit der Absicht, Verständnis für Betroffene zu wecken, sie ihres schweren Loses wegen nicht auch noch zu verachten und damit das Leid unnötig zu vermehren. Die Autorin zitiert Asmus Finzen auf Seite 185: „Allerdings bleibt festzuhalten, dass das Los psychisch Kranker, insbesondere Kranker mit Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis, durch irrationale Vorstellungen von der Schizophrenie und durch entwürdigende Vorurteile erschwert wird. Das Bild der gesunden Anderen vom schizophrenen Leiden zu verändern und der Wirklichkeit anzunähern, bleibt eine vordringliche Aufgabe.“
Wie schwer es aber ist, sich in die vermutliche Gefühlswelt der kranken Tochter zu versetzen, sich nicht zu distanzieren, immer wieder trotz Beschimpfungen, ungerechter Vorwürfe bis hin zu tätlichen Angriffen sich ihr in Liebe zuzuwenden und für sie zu sorgen statt sich ein für allemal zu distanzieren, das kann man in diesem Buch lesen.
Lilo Rombach hat mich selbst um diese Buchvorstellung gebeten, als das Buch noch nicht erschienen war. Ich bin sehr froh, dass ich es vorstellen durfte, für sie, für Julia, für Fabian.

Sibylle Prins in: Sozialpsychiatrische Informationen:
Als psychiatrieerfahrene Rezensentin dieses Buch zu besprechen ist eine gewisse Herausforderung- ich muss dabei in mehrfacher Hinsicht über meinen Schatten springen: über meinen Schatten als Psychiatrie-Erfahrene. Über meine Rolle als Tochter (ohne eigene Kinder). Über meine eigene Familiengeschichte. Ob das überhaupt geht? Und: ob wohl andere Psychiatrie-Erfahrene dieses Angehörigenbuch lesen werden? Oder bleibt man von vornherein in getrennten Welten?
Worum es geht in diesem Buch: Lilo Rombach beschreibt zunächst ihr eigenes Leben, ihre Berufstätigkeit, das Scheitern ihrer Ehe und die Jahre als alleinerziehende Mutter mit ihrer Tochter Julia, die mit 20 Jahren an Schizophrenie erkrankt. Es folgen die leidvollen Jahre mit Julias Erkrankung, bis kurz nach der Geburt von Julias Sohn Fabian. Der zu Pflegeeltern gegeben wird, weil Julia nicht in der Lage ist, ihn zu versorgen. Dieser Bericht ist denn auch kein Selbstzweck, sondern für Fabian aufgeschrieben und an ihn adressiert: er soll, wenn er volljährig ist, seine Familiengeschichte kennenlernen, insbesondere die Geschichte seiner leiblichen Mutter Julia und seines Vaters, Julias Freund Louis. In den Aufzeichnungen gibt es zwei Zeitebenen: die Geschichte bis kurz nach Fabians Geburt, und, als tagebuchartige Aufzeichnungen, die Ereignisse ca. zwei Jahre später, während Lilo Rombach ihre Erinnerungen aufschreibt. Durch Einrückungen und Datierungen lassen sich die Wechsel der Zeiten aber einigermaßen gut auseinanderhalten. Etwas irritiert war ich anfangs durch die vielen längeren Zitate aus der Fachliteratur, insbesondere Asmus Finzens Buch „Schizophrenie – die Krankheit verstehen“ wird immer wieder zitiert. Ich habe das dann aber so verstanden, dass diese Abschnitte der Autorin besonders wichtig waren, vielleicht für sie selbst, aber auch, um dem Enkel die Erkrankung seiner Mutter Julia und die zeitweise schwierigen Beziehungen innerhalb der Familie zu erklären.
Ausdrücke, die in diesem Buch häufig vorkommen, sind „Schmerz“ und „es tut so weh“. Damit sind in erster Linie seelische Schmerzen gemeint, die sich vor allem auf die Situation, das Verhalten und die Zukunftsaussichten der Tochter Julia beziehen – trotz der vielfältigen und wiederum bis über die eigene Schmerzgrenze gehenden Anstrengungen ihrer Mutter und Fabians Großmutter, sie zu unterstützen. Diese Schmerzen werden für den Leser gut nachfühlbar gemacht. Körperliche Schmerzen, etwa von Bandscheibenvorfällen, kommen in dem Bericht noch hinzu. Allerdings bekam ich manchmal auch „Bauchschmerzen“ einer Art, die die Autorin wohl nicht vorgesehen hat – ich war nicht mit allem einverstanden, was die Mutter tut, um ihrer Tochter zu helfen. Noch damit, wie sie manches beurteilt. Dies ist eben keine „wasserdichte“, perfekte Geschichte, die Autorin macht sich angreifbar – und gerade das macht das Buch so authentisch, so menschlich anrührend und aufwühlend.
Lilo Rombach leidet besonders unter der Einsamkeit, in der ihre Tochter lebt – als Leser/in entgeht einem aber nicht, dass diese Mutter/Großmutter selbst sehr allein gelassen ist: die professionelle „Hilfe“ baut eher neue Hindernisse auf, dort ist, wie Lilo Rombach zu Recht bemerkt, niemand wirklich und nachhaltig an Julias Schicksal interessiert. Aber auch sonst ist da wenig die Rede von hilfreichem Beistand – auf Seite 114 spricht sie es dann aus: „Ich fühle mich furchtbar allein.“
Eine Stärke dieses Buches ist, dass es auf ausführlichen Alltagsnotizen beruht – und so kommen die ganzen Widrigkeiten, die einem die tägliche Arbeit schwer machen, in den Blick: zahllose Autofahrten, verpatzte Treffen, fehlendes Geld, nicht erreichbare Behörden/Betreuerinnen, unrenovierte Wohnungen, steile Treppen in den 4. Stock oder eine nicht angeschlossene Waschmaschine. Wer sich (als Profi) „Lebensweltorientierung“ auf die Fahnen geschrieben hat, tut gut daran, hier genau hinzusehen! Überhaupt – wer wird dieses Buch lesen? Psychiatrie-Erfahrene, so schätze ich, eher weniger. Angehörige hoffentlich, die sich vielleicht darin wiederfinden und sich dann möglicherweise nicht mehr so allein mit ihrer Situation und ihren Gefühlen fühlen. Vor allem möchte ich es psychiatrischen Profis, insbesondere den jüngeren, ans Herz legen. Während einige Einrichtungen jetzt (ganz neu!) die „familienorientierte Behandlung“ entdecken, musste ich mir von anderer Seite schon anhören, Angehörigenarbeit sei „ein Auslaufmodell“. In diesem Buch wird die Situation und Gefühlslage einer Mutter unabweisbar dargestellt – und es wird auch deutlich, dass Angehörige nicht irgendwelche plakativen Pappfiguren sind, sondern auch ihre Biografie, ihre Geschichte, Prägungen haben. Ans Herz legen auch deshalb, damit die Profis sehen, wie professionelles Handeln „von außen“, also aus Sicht der Angehörigen wirkt. Angehörige haben nicht immer recht. Aber sie haben oft gute Gründe. Selbst wenn es nicht meine sind.

Andreina Perelló in: WN - Zeitung für alle:
Dieses Buch möchte ich gerne empfehlen. Es ist eine wirklich außergewöhnliche Familienbiografie. Aufgeschrieben von Lilo Rombach, die über die Erkrankung ihrer einzigen Tochter, Julia, für ihren Enkelsohn Fabian berichtet. Doch auch für Außenstehende ist dieses Buch sicherlich ein Gewinn. Beschreibt es doch eindrücklich den Leidensweg einer jungen Frau und damit verbunden den ihrer wenigen Angehörigen. Zeitgleich zeigt dieser Erfahrungsbericht auf, wie sehr ein Hilfssystem trotz allem versagen kann.
Zugleich verstehe ich es als direkten Anstoß, sich, egal aus welcher Position heraus, direkt in den Trialog der integrierten Versorgung einzubringen. Die Motivation dazu mag aus der eigenen Betroffenheit oder dem Wunsch nach Entstigmatisierung entstehen. Ein sinnstiftendes Buch zum Selberlesen oder zum Verschenken.

Eva Straub in: unbeirrbar/ApK Bayern:
Eine Großmutter schreibt die Geschichte ihrer Familie auf, vor allem die Geschichte ihrer Tochter Julia, die in jugendlichen Jahren an Schizophrenie erkrankte. Sie schreibt für ihren Enkel, der bei Pflegeeltern aufwächst. Fabian soll später einmal erfahren, warum er in einer Pflegefamilie aufwächst, obwohl seine Mama und seine Oma ihn sehr lieb haben. Und so beschreibt Lilo Rombach die Krankheit ihrer Tochter Julia, mit allen wechselhaften Krankheitsphasen, sie beschreibt die innere Zerrissenheit, als sie erfährt, dass ihre selbst über lange Zeit lebensunfähige Tochter ein Baby erwartet. Ihre Sorgen, Ängste und die nie versiegende Hoffnung auf Besserung durchziehen das ganze Buch. Mit dem besonders geschickten Einfall, parallel zum Vergangenen in Art eines Tagebuchs von den aktuellen Ereignissen zu berichten, macht die Autorin die Entwicklung einerseits und die Wiederholung des Krankengeschehens andererseits erfahrbar. Das Buch bekommt dadurch eine unerwartete Lebendigkeit. Eingestreut findet der Leser sachliche Passagen über die Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis und Zitate aus Psychiatriefachbüchern bekannter Autoren. Lilo Rombach schafft es auf diese Weise, die sehr persönliche Ebene zeitweise zu verlassen und das Schicksal ihrer Tochter und ihrer Großfamilie einzuordnen in den bekannten Verlauf einer solchen Erkrankung. Ich empfand es als wohltuend, diesen Sichtwechsel vornehmen zu können. Der Krankheitsverlauf, den Julia durchleidet, und ihre ganze Familie mit ihr, ist bilderbuchmäßig: fehlendes Krankheitsverständnis der Tochter, keine Behandlungsbereitschaft, Eskalationen, Beschimpfungen, Ärger mit Nachbarn, Untätigkeit, Krankenhausaufenthalte, Versuche, wieder Fuß zu fassen und und und.
Die Autorin lässt uns teilhaben an ihren eigenen Erklärungsversuchen für die unerklärlichen Verhaltensweisen und Gefühle ihrer Tochter und schenkt uns damit ein einmaliges Dokument der Erlebens und Mitleidens einer Mutter und Großmutter. Schließlich stellt sie fest, „es sollte Julias Geschichte werden und ist meine geworden“.

Dagmar Hülsewiesche in: Ergotherapie und Rehabilitation:
Die Autorin erzählt ihre eigene Geschichte über drei Generationen, die ihrer Tochter und ihres Enkelsohnes, dem dieses Buch gewidmet ist. Bereits der Titel vermerkt das Außergewöhnliche. Die Tochter von Lilo Rombach ist an einer schizophrenen Psychose erkrankt, die in ihrem fortschreitenden Verlauf die Umwelt mit einbezieht und vor allem das Leben der Mutter bestimmt. Unter diesen Umständen wird das Kind Fabian geboren, das bei einer Pflegefamilie aufwächst. Die Großmutter fühlt sich in der Pflicht, die Fragen, die der größer werdende Fabian an seinen speziellen Lebensweg, an die Erkrankung seiner Mutter und an die Gründe für eine Fremdbetreuung hat, zu beantworten. Gleichzeitig hat die Autorin wohl auch für sich selbst noch einmal diesen bis über die Grenzen der Belastbarkeit gehenden Weg beschreiben wollen, den sie gemeinsam mit der (meist allein erziehenden) Tochter beschreitet. In den Teilen des Buches, in denen sie die Entwicklung des Krankheitsverlaufes schildert, zitiert sie Texte von Asmus Finzen, dem einfühlenden Autor und Psychiater der Sozialpsychiatrie, und stellt sie in Bezug zu Verlauf, Symptomatik und Wahrnehmung eines schizophren erkrankten Menschen. Damit nimmt sie den Versuch auf, das Unerklärliche zu erklären. Denn der Leser erlebt zunächst nur die Ratlosigkeit angesichts der Ratlosigkeit der agierenden Personen. Und damit sind die Menschen in dem professionell arbeitenden Netz, die betreuen, behandeln und Recht sprechen, gemeint. Dessen Maschen sind so gestrickt, dass Mutter und Tochter hilflos zappelnd darin zurückbleiben. Dieses Buch bietet selbst also keine Lösungsmöglichkeiten aus den gemachten Erfahrungen. Aber aus dem Unbehagen beim Lesen und der Tatsache, dass die Hilfsangebote meist nicht greifen, lässt sich für uns professionelle Helfer eine Handlungskonsequenz ableiten: Nicht immer mehr vom Selben tun, und vor allem wenn Hilfemaßnahmen nicht gelingen, das, was ist, kritisch bewerten, neu überdenken und Hilfe anders gestalten. Ein Buch für alle, die sich ohne Scheu einem schwierigen und in der Art der Darstellung sehr persönlichen Thema widmen möchten.

Jens Riedel in: Der Eppendorfer:
„Liebster Fabian, deine Mutter ist sehr krank ...“ ist mehr als eine Krankheitsgeschichte. Sie ist auch eine Geschichte über Lilo Rombach selbst. Mindestens ebenso wie das Schicksal ihrer Tochter beschreibt sie ihre großen – im doppelten Sinne des Wortes – Anstrengungen und rückt damit auch die bei psychischen Erkrankungen oft vergessenen außerordentlichen Belastungen der Angehörigen eindrucksvoll mit ins Bild. Bis zur Erschöpfung bemüht sie sich um Fabians Mutter.
Es sind die vielen Beschreibungen des beschwerlichen Alltags, von vergeblichen Behördengängen bis zu nicht eingehaltenen Terminen der Tochter, die dem Buch eine ungewöhnliche Authentizität verleihen. So gibt es auch kein Happy End. Bis heute, als nunmehr 71-Jährige, sorgt sich Lilo Rombach immer noch um das Leben ihrer Tochter ...

Brigitte Guggl, Wien, in: Theraplay / Schwierige Kinder Journal
Lilo Rombach, siebzig Jahre jung, hat für ihren Enkel Fabian, der bei Pflegeeltern aufwächst, die Geschichte seiner Mutter aufgeschrieben, damit er wichtige Dinge über seine Vorfahren erfährt und die Zusammenhänge besser verstehen kann.
Fabians Mama erkrankte mit 15 Jahren an Schizophrenie, wurde entmündigt, suchte sich einen alkoholkranken Partner und verlor ihren Sohn Fabian kurz nach der Geburt. Der Leser bekommt einen Einblick ins Familienleben bis zu Fabians zweiten Geburtstag. Am Schluss gibt es noch einen Epilog. Fabian ist jetzt dreizehn Jahre alt. Oma Lilo darf ihren Enkel achtmal jährlich besuchen und in den Ferien kurz zu sich nach Hause holen. Wenn er beginnt, Fragen über seine Eltern zu stellen, wird sie ihm das Buch schenken.
Frau Rombach erzählt die Familiengeschichte in Form von Briefen an Fabian und in tagebuchähnlichen Eintragungen, dazwischen zitiert sie Auszüge aus den Fachbüchern "Schizophrenie – Ursachen, Verlauf, Therapie, Hilfen für Betroffene" von Silvano Arieti und "Schizophrenie. Die Krankheit verstehen" von Asmus Finzen.
Sie beschreibt viele seelische Verletzungen und die daraus folgenden Konfliktsituationen, wie sie durch die Liebe zu ihrer Tochter alle Schmerzen ertragen kann und den Kampf gegen Menschen und Institutionen (Behörden, Ärzte, Therapeuten), die nicht erkennen können, welche Maßnahmen für ihre Tochter notwendig wären. Ihr Einsatz ist außergewöhnlich hoch. Es ist ein sehr spannendes Buch, das viele Emotionen in mir hochkommen ließ und viele Aha-Erlebnisse ermöglichte. Viele beschriebene Situationen aus dem Buch kenne ich auch aus meinem Bekanntenkreis. Ganz besonders schlimm für mich ist die Lage meiner jüngeren Schwester, die an einer bipolaren Störung oder Borderline-Syndrom erkrankt ist.
Einige Geschichten und Symptome meiner Schwester erlebe ich ähnlich wie Lilo Rombach mit ihrer Tochter. Es ist für mich als Schwester schwierig, damit umzugehen, weil es nur wenig professionelle Hilfe gibt und weil ich als große Schwester oft auf sie aufpassen musste.
Ich bin Lilo Rombach sehr dankbar, dass sie so offen über ihre Erfahrungen und Gefühle berichtet. Psychische Erkrankungen sind nach wie vor ein großes Tabuthema und werden oft für Spinnereien und Verantwortungslosigkeit gehalten. Es ist so schwer zu begreifen, dass es sich um eine Krankheit handelt und dass es nicht nur Launen sind. Mein Kopf weiß viele gescheite Dinge im Umgang mit psychisch kranken Menschen. Nachdem ich dieses Buch gelesen habe, weiß es auch mein Herz.


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