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Mit meinen herzlichen Grüßen! Ihre Dorothea Buck

Rezensionen

Ilse Eichenbrenner in: Soziale Psychiatrie:
Exzellente Lehrmeisterin
Ich sehe sie vor mir: Dorothea Sophie Buck-Zerchin, wie sie an ihrer Schreibmaschine sitzt und Briefe beantwortet. Sie runzelt mal besorgt die Stirn, dann wieder lächelt sie etwas verschmitzt. Sie kann tippen – das erwähnt sie in einem ihrer Briefe, sie hat es sich selbst beigebracht. Durch die Filme von Alexandra Pohlmeier kenne ich mich ein bisschen aus in ihrem Wohnzimmer und in ihrem schönen Garten. „'Dialog-Juwelen' aus dem Gartenhaus“ – so war ein Beitrag von Fritz Bremer und Hartwig Hansen in der letzten „Sozialen Psychiatrie“ überschrieben, in dem die beiden von ihrem überaus ambitionierten Projekt berichteten. Dieser Artikel, der übrigens mindestens dreimal gelesen werden sollte, führt auf vortreffliche Weise bereits hinein in Dorothea Bucks Lebenswerk und in den vorliegenden Briefwechsel. Er machte uns alle in der SP-Redaktion neugierig auf das Buch und mich als Rezensentin quasi überflüssig. Trotzdem griff ich danach und packte es in meinen Rucksack. Im Vorwort des schön gestalteten Bandes, dessen Cover natürlich ein handschriftliches Faksimile ziert, kommen die beiden Herausgeber noch einmal zu Wort, berichten über das Gartenhaus und erläutern ihr Vorgehen. Die Briefe, allesamt aus den Jahren 1990 bis 2000, sind chronologisch geordnet. Eine thematische Überschrift gibt einen ersten Hinweis und erleichtert das Auffinden, wenn man – wie ich – so manchen Brief ein zweites Mal lesen möchte. Ganz am Ende melden sich die beiden Herausgeber noch einmal zu Wort, kommentieren und sichten und ordnen die Korrespondenz ein letztes Mal. Ich schließe das Buch und meine Augen und setze mich vor meine schreibende Maschine. Nun also los.
Diese Frau ist ein Phänomen. Nach dem Erscheinen von „Auf der Spur des Morgensterns“ erhielt sie unzählige Briefe und beantwortete jeden einzelnen, nicht ohne sich zunächst zu entschuldigen für die bereits verstrichene Zeit. Doch dann nimmt sie Bezug auf die Bemerkungen und Fragen der Absender, Punkt für Punkt, Thema für Thema. Dabei nutzt sie ihre Lebensweisheit, aber auch ihre Autorität und ihre pädagogisch-therapeutische Kompetenz. Die mag sie in ihrer Tätigkeit als Kunstlehrerin an der Fachschule für Sozialpädagogik erworben haben, aber auch in unzähligen Selbsthilfegruppen und im Hamburger Psychoseseminar mit Thomas Bock. Ohne Zweifel ist sie ein Naturtalent. Viele Leserinnen und Leser werden nach dem Buch greifen, um mehr über Dorothea Buck und ihr Psychoseverständnis zu erfahren. Diese Erwartung erfüllt es in hervorragender Weise. Das Buch verschafft aber auch eine Ahnung von den unendlichen Anstrengungen psychisch und körperlich erkrankter Menschen und ihrer Angehörigen auf der Suche nach Antworten und Auswegen. Einige Schicksale ziehen an uns vorbei, die nicht so einfach zu verkraften sind. Man legt das Buch kurz zur Seite, atmet durch und liest dann doch weiter.
Nicht immer sind es Unbekannte, denen Dorothea Buck schreibt. Die Herausgeber Hartwig Hansen und Fritz Bremer haben auch einige Briefe ausgewählt, die dem Leser eine Ahnung von der mühevollen und so überaus erfolgreichen Arbeit des Bundesverbandes Psychiatrie-Erfahrener (BPE) geben, dessen Ehrenvorsitzende sie ist. Haarklein und überaus konkret schildert sie, mit welchen Materialien (Linoldruckfarbe auf Klopapier) kostengünstig dekorative Briefkarten für den Verkauf produziert werden könnten – der Erlös geht natürlich an den BPE. In einem anderen Brief erläutert sie die Idee eines ganz speziellen Forschungsvorhabens, das mir durch das Hamburger Projekt zum subjektiven Sinn von Psychosen, kurz SuSi (T. Bock, K. Klapheck, F. Ruppelt, Sinnsuche und Genesung, Köln 2014), inzwischen kongenial umgesetzt zu sein scheint. Die Gartenhauskorrespondenz liefert Psychiatriegeschichte von oben und unten. Aber auch diesen Gesichtspunkt haben die beiden Herausgeber in ihrem Nachwort erwähnt. Bleibt nicht mehr viel übrig – für die Rezensentin.
Ich möchte mich begnügen mit dem didaktischen Aspekt der Antwortbriefe und das Buch empfehlen als ein außergewöhnliches, exzellentes und vermutlich einmaliges Lehrbuch. Gerade in Zeiten, in denen die schriftliche Beratung immer wichtiger wird, erscheint mir ein Grundkurs bei Sophie Zerchin unverzichtbar. Aber auch für den Face-to-Face-Kontakt lässt sich an diesem Modell lernen: Wann gehe ich auf die Inhalte ein, wann lasse ich Schilderungen respektvoll stehen, wann gebe ich konkrete Ratschläge, ohne den anderen zu erschlagen? Wie vermittle ich Hoffnung ohne billigen Trost?
„Liebe Frau Buck, ich habe Lust auf einen sonntäglichen Gedankendialog: Sie bekommen einen Gruß!“ (Frau Dr. W. am 22. August 1993).
In vielen Briefen wird der Wunsch deutlich, der Autorin des „Morgensterns“ etwas mitzuteilen, mit ihr zu kommunizieren. Durch die Lektüre des Buches kennt man ihre Gedanken, ihre Vorstellungen über Gott und Psychosen und die Welt und möchte gerade von ihr wahrgenommen und verstanden werden. Hier geht es häufig um differenzierte religiöse Fragen, wobei sich Frau Buck erstaunlich flexibel zeigt. Ob es wohl Gottes Wille sei, nie mehr Radio zu hören, wenn er sein Radio zerstört habe? Nein, meint Frau Buck, beinahe lakonisch: „Ganz sicher kann man das von Ihnen im Wutanfall zertrümmerte Radio nicht als ein 'aus dem Geist Gottes' kommendes Verhalten interpretieren. Ich weiß auch nicht, ob es sinnvoll ist, dass Sie ohne Radio leben. Zum Beispiel hörte ich heute Morgen im 3. Radio-Programm eine sehr gute Sendung über Träume. Und wo sonst als sonntags morgens im 3. Programm hört man die Kantaten von J.S. Bach?“
Manchmal scheint es, als habe sie mindestens eine Ausbildung in klientenzentrierter Gesprächspsychotherapie absolviert. Sie nimmt ihr Gegenüber ernst, greift jedes Anliegen auf, spiegelt und paraphrasiert und zeigt sich empathisch. Sie verliert sich nicht in Mitgefühl, sondern liefert Orientierung und Struktur. Sie unterscheidet klar zwischen den Wünschen nach Anerkennung auf Augenhöhe und der verzweifelten Suche nach Überlebenshilfe. Sie ist Analytikerin, Seelsorgerin oder Sozialarbeiterin, je nachdem, und verweist immer wieder auf die Selbsthilfepotenziale der Ratsuchenden. Sie nennt konkrete Anlaufstellen, Selbsthilfegruppen und Psychoseseminare in Wohnortnähe, legt Flyer und Ratgeber oder gleich ganze Kapitel (z.B. aus dem „Hand-werks-buch“) bei. Sie hat einen phänomenalen Überblick über alle Hilfsangebote. Oder in Sozialsprech formuliert: über alle Leistungen und Leistungsträger einer Region.
Manche Briefe erinnern mich mit etwas Schadenfreude an meine Tätigkeit im Sozialpsychiatrischen Dienst, und ich bin gespannt, wie Frau Buck reagieren wird. So gibt es in ihrem Buch einen Hilferuf aus wenigen, sich aber immer wiederholenden Zeilen: „Möchte nicht in Psychiatrie bleiben. Bitte für meine Entlassung einsetzen. Nicht in Psychiatrie bleiben.“ Beigefügt ist der Unterbringungsbeschluss des Vormundschaftsgerichts. Man sieht förmlich, wie sich unsere Therapeutin aufrichtet und mit strengem Blick das Chaos sichtet. Erstens, zweitens, drittens. Sie antwortet Punkt für Punkt und fasst zum Schluss noch einmal zusammen:
„Als 1. um Akineton bitten, wenn Sie es nicht inzwischen erhielten
Als 2. die Nagelbettentzündung behandeln lassen
Als 3. Ihre Bereitschaft erklären, die Ihnen von der Stadt zur Verfügung gestellte Wohnung zu beziehen. Das sind drei Voraussetzungen für Ihre Entlassung, die nicht so schwierig sein sollten.“
Dieses Buch ist also ein Lehrbuch für Beratung und Gesprächsführung, aber auch ein Lehrbuch zur neueren Geschichte der Psychiatrie, speziell der Psychosen, zu ihrer Behandlung und zum Sinn und Unsinn der Gabe von Neuroleptika. Weshalb sprachen und sprechen Psychiater (und Sozialarbeiterinnen!) nicht mit ihren Patienten über die Inhalte der Psychosen? Ist die Aufarbeitung immer sinnvoll, und wie kann sie aussehen?
Ach, ich könnte immer so weitermachen und höre am besten auf. Jetzt sind Sie am Zug. Runzeln Sie die Stirn, oder lächeln Sie verschmitzt. Schreiben Sie eine E-Mail, hauen Sie auf den Tisch, oder machen Sie sich eine Tasse Tee. Begeben Sie sich auf die Spuren von Lehrmeisterin Dorothea Buck und tun Sie es ihr nach, wo immer es möglich ist – aber lesen Sie dieses Buch. Vorher.

Rainer Höflacher, Teningen, in Psychosoziale Umschau:
Menschlichkeit als Ziel
Unter den Psychiatrieerfahrenen und weit darüber hinaus ist Dorothea Buck‚ Jahrgang 1917, eine Jahrhundertzeugin und Symbolfigur. Sie vermittelt eine neue selbstbewusste Art, mit den eigenen psychischen Einschränkungen umzugehen, und eine Sichtweise von Psychosen, die zur aktiven Auseinandersetzung mit der Erkrankung führt. Sie steht für den Glauben an Genesung und für ein verstehendes Herangehen an Psychosen.
Es begann im Herbst 1989, als Dorothea Buck und Thomas Bock zum ersten Psychoseseminar einluden – ein Treffen, in dem Psychiatrieerfahrene, Angehörig und Fachpersonen sich auf gleicher Augenhöhe austauschen, um die Perspektive der anderen Gruppen zu verstehen und voneinander zu lernen.
Schon im Oktober 1990 veröffentlichte Dorothea Buck ihr Buch »Auf der Spur des Morgensterns – Psychose als Selbstfindung«, das zum Kultbuch werden sollte. Sie beschreibt das Erlebnis ihrer fünf psychotischen Schübe, ihre Zwangssterilisierung während der Nazidiktatur und wie sie die Erkrankung überwunden hat.
Dorothea Buck hat dafür gesorgt, dass die Gräueltaten der Nationalsozialisten an psychisch erkrankten Menschen nicht in Vergessenheit geraten, Sie wehrt sich gegen eine einseitig biologisch-medizinische Sichtweise von Psychosen, und setzt sich dafür ein, dass Wahninhalte verstanden und aufgearbeitet werden. Nicht zuletzt trug sie wesentlich zur Gründung des Bundesverbandes Psychiatrie-Erfahrener im Oktober 1992 in Bedburg-Hau bei, dessen Ehrenvorsitzende sie bis heute ist.
Nun veröffentlichen Hartwig Hansen und Fritz Bremer 2016 den Gartenhaus-Briefwechsel. Die Herausgeber haben den umfangreichen Briefwechsel sorgfältig archiviert und die Auswahl auf Briefe beschränkt, »die eine persönliche Rückmeldung auf ein lebenspraktisches Anliegen bzw. einen Beitrag zum eigenen Psychoseverständnis dokumentieren.
Das Buch enthält ca. 7o Briefwechsel, die Briefe sind relativ kurz. Das Buch eignet sich hervorragend als Nachttischlektüre, indem man einige Briefwechsel liest und diese dann auf sich wirken lässt. Während der Lektüre des Buches entsteht vor dem inneren Auge des Lesers "ein lebendiges Bild Dorothea Bucks, wie sie auf ihrer Schreibmaschine die vielen Briefe beantwortet. Auf unterhaltsame Art ergibt sich nach und nach ein weitreichender Eindruck ihrer Haltung und Sichtweise. Es ist beeindruckend, welche Tiefe die schriftlichen Beziehungen haben und welche gegenseitige Wertschätzung aus den Briefen spricht. Nicht selten führten sie auch zu persönlichen Begegnungen.
Erstaunlich ist es, wie vielseitig und kreativ die Ratschläge Dorothea Bucks ausfallen. Von Berufsberatung bis zur Vermittlung von alten Hausmitteln finden sich eine Vielzahl von überzeugenden Lösungsansätzen, die Dorothea Buck ihren Briefpartnern anbietet.
Typisch für Dorothea Buck ist ihr Ratschlag, dass es ungeschickt sei, Anliegen mit Härte und Kompromisslosigkeit durchsetzen zu wollen, sondern der "Gegner" gewonnen werden müsse, So kennt man Dorothea Buck: mit Nachdruck, aber immer mit einer Freundlichkeit, die es schwer macht, ihre Argumente zu ignorieren.
Mehrfach betont sie, dass sie gelernt habe, aus ihren Impulsen heraus und mit Hilfe ihrer inneren Stimmen zu leben, ohne die Wirklichkeit aus dem Blick zu verlieren.
Dorothea Buck ist eine gläubige Frau, steht mit ihrem Gottvertrauen für die christlichen Werte ein und bezieht daraus auch viel ihrer Kraft. Ihr Verständnis vom Wirken Gottes, Jesus und der Engel ist nicht abgehoben und weltfremd. Die Menschlichkeit, als das Ziel der christlichen Lehre, müsse der Mensch selbst verwirklichen.
Fazit: Für Menschen, die sich mit dem Verständnis von Psychosen auseinandersetzen, einen Eindruck von möglichen Schicksalen von Betroffenen bekommen wollen oder einfach um Dorothea Buck und ihre Sichtweise in kompakter Form besser kennenzulernen, ist das Buch sehr zu empfehlen. Es ist interessant, auf diese Weise etwas von der Aufbruchstimmung in der Zeit des Entstehens der organisierten Selbsthilfe Psychiatrieerfahrener zu lesen.
Es bleibt jedem überlassen, ob er Dorothea Bucks Psychoseverständnis folgen will oder nicht. Reizvoll, einleuchtend und beeindruckend ist Dorothea Bucks Lehre allemal.

Anke Hinrichs in: Der Eppendorfer:
99 – und kein bisschen leise
Dorothea Bucks "Gartenhaus-Briefwechsel" ist ein einzigartiges Zeugnis dessen, was die Grand Dame der Psychiatrie-Erfahrenen ausmacht

20 Ordner umfasst die gesammelte Briefkorrespondenz Dorothee Bucks aus den Jahren 1990 bis 2000, dem Jahrzehnt nach Erscheinen ihres Buches „Auf der Spur des Morgensterns“, in dem sie unter dem Pseudonym Sophie Zerchin ihren Weg mit der Psychose beschreibt, die sich nach fünf Episoden aus ihrem Leben verabschiedete.
Hartwig Hansen und Fritz Bremer vom Paranus-Verlag haben sich der Mammutaufgabe gestellt, diese Schriften zu sichten, zu ordnen und einen Extrakt von 70 Schriftwechseln in einem Buch zu veröffentlichen. „Mit meinen herzlichen Grüßen! Ihre Dorothea Buck“ ist ein einzigartiges Zeugnis: eine „dialogische Korrespondenz der Erfahrung“ nennen es die Herausgeber. Es gibt einen eindrücklichen Einblick in das Psychoseverständnis einer großartigen, ebenso beherzten wie überaus lebenspraktischen Grand Dame der Psychiatrie und der Selbsthilfe.
Sie suchte ein Atelier – und fand ein kleines Haus inmitten eines zauberhaften Gartens in Hamburg-Schne1sen. 1960 gab die Bildhauerin Dorothea Buck eine Zeitungsanzeige auf und bekam eine Garage, einen Dachboden und eben das Gartenhaus angeboten, das sie gleich begeisterte und in das sie im Frühjahr 1960 einzog. Sie lebte dort 53 Jahre, während derer sie unzählige Besucher empfing.
2013 verließ sie ihr Refugium, um in ein in der Nähe liegendes Pflegeheim zu ziehen, wo sie seither bettlägerig, aber mit hellwachem Geist, lebt. Und wo sie just, am 5. April, ihren 99. Geburtstag feierte!
Sie hat so vieles erlitten in ihrem Jahrhundert, die Psychiatrie der Nazizeit und danach, die Zwangssterilisation vor allem. Ihre Psychose aber hat sie nach der fünften Episode 1959 überwunden. Weil sie verstanden hat, was das Unbewusste ihr damit sagen wollte, so ihre Ãœberzeugung. Dorothea Bucks wichtigste Message: Folge Deinen Impulsen. Dazu und zum Vertrauen in die Möglichkeit des Lernens ermutigt die Ehrenvorsitzende des Bundesverbands der Psychiatrie-Erfahrenen, den sie 1991 mitgründete, unermüdlich. Sie selbst ist getragen von tiefem Gottvertrauen sowie den Gedanken C.G. Jungs und dessen Verständnis vom Lernen und Wachsen durch seelische Verstörung – statt auf eben diese fixiert zu bleiben, wie es die Herausgeber im Nachwort erläutern.
In den Briefen, die sie im oben benannten Zeitraum erhält und beantwortet – schnell oder wegen vieler Verpflichtungen mitunter Monate später – wird auch die Verzweiflung vieler Betroffener und Angehöriger deutlich, die am Hilfesystem scheitern oder sich darin nicht aufgefangen oder gar schlecht behandelt fühlen und sich in ihrer Not an Dorothea Buck wenden, die stets kompetent und entschieden, mit Ratschlägen und Meinungen antwortet. „Erkennbar wird eine bundesweite Selbsthilfegruppe in der Form eines umfangreichen Briefwechsels. Die Gesprächsleitung hat Dorothea Buck. Sie gibt alltagspraktische Hinweise, ermutigt, den eigenen Impulsen zu folgen, kommt oft auf erstaunliche Ideen“, so Hartwig Hansen und Fritz Bremer.
In ihrer auf einer Reiseschreibmaschine getippten Gartenpost, oft veredelt durch Blumenkarten, macht sie sich intensive Gedanken über die Probleme der Adressaten. Bei ihren Antworten im Vordergrund steht immer die Ermutigung, die sie gegen den wohl größten Feind der Genesung, die Hoffnungslosigkeit, setzt. Auf die vielen Fragen, die sie rund um das Thema Psychosen gestellt bekommt, gibt sie meinungsstarke Antworten.
Sie glaubt, dass die Psychose eine Möglichkeit ist, sich selbst – das eigene Unbewusste –kennenzulernen und sich selbst zu finden. Aber: „Dass in der Psychose sich ein göttlicher Wille dokumentiert, glaube ich nicht“, antwortet sie zum Beispiel auf eine diesbezügliche Frage. Einem zutiefst verzweifelten Schreiber aus der geschlossenen Abteilung erteilt sie glasklare Anweisungen, was als Nächstes zu tun ist: 1. um Akineton bitten gegen die durch Neuroleptika verursachten Krampfanfälle, 2. Nagelbettentzündung behandeln lassen, 3. Bereitschaft erklären, die ihm von der Stadt zur Verfügung gestellte Wohnung zu beziehen. Die zweieinhalb Wochen, die er noch geschlossen untergebracht sei, werde er durchstehen. „Sie werden das schaffen, da bin ich mir sicher“, so Dorothea Buck.
Einem anderen Schreiber gibt sie eine ausführliche Anleitung für Kneippmaßnahmen gegen Schlafstörungen. Zu unterstützen durch pflanzliche Mittel und körperliche Arbeit, möglichst in frischer Luft. Einer Verzagten in Angst vor einer herannahenden psychotischen Episode gibt sie den Tipp, sich alles Gute anzutun: gut essen, gut schlafen, warm baden, gute Gespräche mit vertrauten Menschen, vielleicht etwas Kava-Kava oder Johanniskraut. Für sie selbst zur Heilung wichtig gewesen sei: Ausdruck in Wort und Bild, genauer gesagt in der bildhauerischen Plastik. Ventil für Gefühle könne aber auch der Sport sein.
Sehr konkrete Selbsthilfetherapie gibt sie auch einer hoffnungslosen, lange seelisch kranken 53-Jährigen. Sie ermuntert die Frau, ihre Aufmerksamkeit von sich und ihren Diagnosen abzuwenden und auf andere Menschen in Not zu richten. „Vielleicht kennen Sie einen Hilfe bedürftigen Menschen, etwa einen schwer sehbehinderten Menschen, dem sie vorlesen könnten. Bei der Konzentration auf den Text und im Gespräch darüber vergessen Sie für diese Zeit Ihre eigenen Schwierigkeiten.“ Weiter ermuntert sie dazu, den Kontakt zur Kirche zu suchen, wobei eine weibliche Pfarrerin vielleicht mehr Verständnis für ihre Ängste habe. Und schließlich: „Abends notieren Sie in ein Tagebuch, ob dieser Tag weniger durch ihre Hoffnungslosigkeit beschattet war, ob Sie etwas Positives an diesem Tage erlebten.“ Schritt für Schritt werde sie sich nun selbst aus der Hoffnungslosigkeit befreien können, wobei die „wirksamste Hilfe“ das Gebet sei, so die gläubige Pastorentochter, die auch Nichtgläubige aufruft, um Beistand einer göttlichen Kraft zu bitten.
Stets kritisch gegenüber einer herkömmlichen Psychiatrie, deren Gesprächsarmut die Erfahrene immer wieder beklagt hat, und einer Reduzierung von Behandlung auf Medikamente, motiviert sie immer wieder dazu, sich auch stark zu machen und eine humane Behandlung, Verbesserungen aktiv einzufordern. Ob sie sich schon mal „an die für ihre Region zuständigen Politiker gewandt habe mit der Forderung, das Therapie-Angebot zu erweitern“, fragt sie eine Mutter, die von den mangelhaften Hilfen für ihre Tochter berichtet. „Man darf da nicht locker lassen, wenn sich was ändern soll“, so Dorothea Buck. „Wenn Angehörige und Psychiatrie-Erfahrene den dafür zuständigen Leuten im Amt alle zusammen auf die Bude rücken, bis sich etwas ändert, wird das aller Voraussicht nach auch Erfolg haben“, schreibt sie im März 1992.
Daraus spricht der Geist einer Kämpferin, die die Gründung der Organisation Betroffener initiierte. 1992 wird der Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener gegründet (BPE). Auch hierzu und zu den Diskussionen im BPE gibt es zahlreiche Materialien im schriftlichen Gesamtnachlass von Dorothea Buck, den sie bei Auszug aus dem Gartenhaus in Gänze dem Paranus-Verlag übertrug – als dem Verlag der Psychiatrie-Erfahrenen und des Trialogs. Auch andere thematische Meinungswechsel zu Themen wie Bioethik-Konvention, Briefaktion an alle Bischöfe und Synodalen in Deutschland wurden – vorerst – ausgeklammert zugunsten einer thematischen Schwerpunktsetzung. Weitere Briefwechselbücher sind explizit nicht ausgeschlossen.
Die Herausgeber rücken die Korrespondenzarbeit von Dorothea Buck neben die anderen großen Vorhaben ihres Lebens: Aufdeckung und Veröffentlichung der Schrecken der Psychiatrie im NS-Staat, Einsatz für Opferentschädigung, Erfindung der „Psychose-Seminare“ (gemeinsam mit Thomas Bock) und eben Gründung des BPE.
Nicht nur Betroffenen und Angehörigen, auch allen Psychiatrie-Beteiligten sei ein Blick in diesen Briefwechsel ans Herz gelegt — nicht zuletzt, um vor dieser so geistesgegenwärtigen Kämpferin und Wegbegleiterin abermals den Hut zu ziehen.

Sibylle Prins in den Sozialpsychiatrischen Informationen:
Wer meint, er/sie wisse und kenne schon alles, was Dorothea Buck zu sagen hat, dem sei dieses wunderbare Buch empfohlen. Es handelt sich um ausgewählte Beispiele ihrer Korrespondenz seit Erscheinen ihres Buches „Auf der Spur des Morgensterns. Psychose als Selbstfindung“ bis zum Jahr 2000. Abgedruckt sind nicht ihre „offiziellen“ Briefe, etwa an Politiker, Einrichtungs- und Verbandsvorstände oder Kirchenfunktionäre, sondern vielmehr Briefe von Leser/innen, Zuhörer/innen bei ihren Vorträgen, Menschen, denen sie begegnete – die Zuschriften sind trialogisch, d.h. ihr schreiben sowohl Psychiatrie-Erfahrene wie auch Angehörige und (angehende) Mitarbeiter/innen der Psychiatrie – und D. Bucks Antworten auf diese Briefe. Geschrieben in Zeiten, als solche Korrespondenz noch nicht per Mail stattfand. Der Untertitel „Der Gartenhaus-Briefwechsel“ bezieht sich übrigens auf Dorothea Bucks damalige und langjährige Wohnung in einem kleinen Gartenhaus. Es geht in den Zuschriften um sehr persönliche Fragen von Psychiatrie-Erfahrenen, beispielsweise wie sie mit einer (ungeliebten) gesetzlichen Betreuung umgehen sollen, wie sie ihre Erfahrungen in der Psychose oder in der Psychiatrie verarbeiten können, darum, wie das Sorgerecht für ein Kind behalten oder wiedererlangt werden kann, um Lebensplanung (was fange ich an mit meinem Leben) , um die Unsicherheit und Verzweiflung von Angehörigen, um politische und Glaubensfragen im Zusammenhang mit der Psychose und/oder der Psychiatrie. Dorothea Bucks Briefe, immer persönlich und solidarisch, geben Einblick in ihren großen inneren Reichtum: ihren Reichtum an Ideen und Bildern, ihren Reichtum an Lebenserfahrung, Reichtum an gesellschaftlichem und politischem Engagement, wie auch ihre so natürlich, keineswegs konventionell wirkende Religiosität, ihre große Herzlichkeit, ihre menschliche Wärme und Zuwendung zu jedem/jeder Einzelnen. Und sie traut sich den Briefpartnern ganz konkrete Ratschläge für ihre Situation zu geben, wobei sie den Empfängern mit Hoffnung und verständnisvoll begegnet, ihnen aber nicht nach dem Munde redet und auch offen sagt, was sie falsch findet. Selbstverständlich kommen ihre bereits bekannten Ansichten vor, etwa, dass Psychose-Inhalte besprochen und verarbeitet und nicht bloß medikamentös unterdrückt werden sollen. Sie sind hier jedes Mal in einen sehr individuellen Kontext gestellt, immer wieder überzeugend (auch wenn das vielleicht nicht für alle der Weg ist), und es wird einmal mehr deutlich, dass die Verfasserin dieser so persönlichen Briefe zwar feste Überzeugungen hat, aber keine Ideologin ist.
Aber nicht nur Dorothea Buck wird in diesen Briefwechseln sichtbar: sichtbar werden auch die vielen, zum Teil tief verunsicherten Psychose-Erfahrenen und Angehörigen. An deren Bedürfnissen die Psychiatrie offenbar immer noch vorbeigeht. Von professioneller Seite wird dieser Vorwurf oft abgewehrt mit dem Argument, dieser Eindruck beruhe auf der „Ahnungslosigkeit“ der Betroffenen und Angehörigen, der man dann mittels sog. „Psychoedukation“ abzuhelfen versuche oder eben auf „mangelnder Krankheitseinsicht“. Wer die hier abgedruckten Briefe aufmerksam liest, wird merken, dass das höchstens einen kleinen Teil des Problems ausmachen kann. Auch insofern lohnt die Lektüre.
Ich freue mich sehr, dass Dorothea, die dieses Frühjahr 99 Jahre alt wird, die Veröffentlichung dieses Buches noch erlebt. Eine sehr schöne und lesenswerte Würdigung ihres beispiellosen Engagements und ihres unermüdlichen Einsatzes für die Psychiatrie-Erfahrenen und eine menschenwürdige Psychiatrie. Danke, Dorothea!

Christine Theml in: Dr. med. Mabuse:
Im Herbst 1990 erschien im Münchner LIST Verlag das Buch von Dorothea Buck „Auf der Spur des Morgensterns – Psychose als Selbstfindung“.
„Dorothea Buck erhält in den Folgejahren hunderte persönliche Rückmeldungen, mal mit, mal ohne Bezug auf ihr Morgenstern-Buch, die sie auf ihrer Schreibmaschine oder in Telefonaten umfangreich und ebenso persönlich auf die Fragen oder die Lebenssituation der Schreibenden eingehend beantwortet. So entstehen über die Jahre viele einmalige und ebenso viele fortgesetzte Kontakte, und zahlreiche Menschen besuchen Dorothea Buck, einmal oder regelmäßig, in ihrem gemieteten Gartenhaus im Hamburger Stadtteil Schnelsen, das sie seit 1960 bewohnt – zuerst unter kargen Bedingungen ohne Wasserleitungen, später umgeben von einem herrlich blühenden Garten.“ (S. 11 f)
2013 zog Dorothea Buck mit 96 Jahren in eine betreute Einrichtung in Hamburg. Ihren schriftlichen Nachlass übergibt sie dem Paranus Verlag. Das vorliegende Buch ist die erste Veröffentlichung aus diesem Nachlass. Es sind Briefe an sie im Zeitraum von 1990 bis 2000 und die abgehefteten Durchschläge ihrer Antworten.
„Wir haben uns bewusst für diejenigen Briefe und Antworten entschieden, die eine persönliche Rückmeldung auf ein lebenspraktisches Anliegen bzw. einen Beitrag zum eigenen Psychoseverständnis dokumentieren.“ (S. 12)
Die Praktikerin, die Ermutigerin, die Ratgeberin Dorothea Buck kommt zu Wort. Sie fordert immer wieder „das eigene Glück, die eigene Heilung in die Hand zu nehmen, dabei auf die eigene Kraft zu vertrauen, sich unabhängig von anderen zu machen und gleichzeitig den so wichtigen Austausch und Schulterschluss mit ebenfalls Erfahrenen zu suchen.“ (S. 13)
Dorothea Buck ist eine der Erfinderinnen des Psychoseseminars, dem Trialog, wo Betroffene, Angehörige und Professionelle ihre Erfahrungen im neutralen Raum austauschen.
Die Herausgeber dieses Buches, Hartwig Hansen und Fritz Bremer, regen Dorothea Buck zur Herausgabe eines Teiles ihrer Briefe mit folgender Idee an: „Ich finde es eine der Hauptsachen, dass es von mehr allgemeinen Einsichten, zum Beispiel: 'Es muss einen Dialog geben', zum wirklichen Dialog kommt. Einen solchen Dialog habe ich ja auch im Psychose-Seminar miterlebt, aber er bestand eigentlich im Berichten und Zuhören und dem Gefühl der Solidarität. Aber es fehlte auch zwangsläufig ein tieferes Eingehen auf den Einzelnen. … Berichten und Zuhören ist nun ja bestimmt erst einmal die Hauptsache. Aber dann kommt eben die große Frage: Was soll und kann ich tun? Und die könnte in solchen Briefen mehr im Mittelpunkt stehen als im öffentlichen Auftritt.“ (S. 15)
Nun ist das Buch mit den Briefen auf dem Markt. Jeden Briefwechsel haben die Herausgeber mit einer Überschrift versehen, sodass man nicht unbedingt chronologisch lesen muss. 67 kleine Briefwechsel sind so nachzulesen. So groß die Zahl ist, so bunt sind die Themen. Im Zentrum aber steht das Psychoseverständnis, von dem Dorothea Buck überzeugt ist, dass es der Einbruch des Unbewussten ins Bewusste ist. Als erklärendes Beispiel dient ihr der Traum. Es ist wie im Traum.
In einem der ersten Briefe kann man unter der Überschrift „Es war wie eine Offenbarung“ lesen: „Was mich am meisten ergriffen hat, ist die Helligkeit, die trotz der furchtbaren Wahrheiten in Ihrem Buch zu spüren ist. Und es kam Freude in mir hoch, ein großes Verstehen der vielfältigen Art der Psyche des Menschen. Warum ich auch Freude empfand? Deshalb, weil mich vieles an das Schicksal meiner Schwester erinnerte und ich jetzt einen kleinen Hoffnungsschimmer verspüre.“ (S.16)
Dieses Hoffnungsvolle, was Dorothea Buck ausstrahlt in der persönlichen Begegnung, gibt sie in ihren Briefen vielfach zurück. Sie vermag es, ausufernde Vorstellungen von einer möglichen Zukunft in praktikable Bahnen zu lenken. Sie beantwortet Fragen nach der Art: „Was soll ich nur machen?“ sehr konkret. Das tut sie auch im politischen Feld, in dem sie sich wegen ihres vielfältigen Engagements gut auskennt. So antwortet sie Frau Soltau: „Ob Sie sich schon mal an die für Ihre Region zuständigen Politiker gewandt haben mit der Forderung, das Therapie-Angebot zu erweitern? Man darf da nicht locker lassen, wenn sich etwas ändern soll. Wenn Angehörige und Psychiatrie-Erfahrene den dafür zuständigen Leuten im Amt alle zusammen auf die Bude rücken, bis sich etwas ändert, wird das aller Voraussicht nach auch Erfolg haben. Wenn jeder dazu ein Stiefmütterchen in die Hand nimmt, um die stiefmütterliche Behandlung psychisch erkrankter Menschen in unserer Gesellschaft blumig darzustellen, würde das vielleicht ankommen.“ (S. 40)
An Sonja schreibt Dorothea Buck: „Ich wäre nicht darauf gekommen, dass Deine Lebendigkeit und Spontanität vielleicht auch mit Deiner Kindheit zusammenhängen, mit Deinem Widerstand, sich durch sie reduzieren zu lassen. Der erlebte Mangel setzt ja auch Kräfte frei, ihn auszugleichen … So könnte man sich denken, dass die Entwicklung der Fantasie eher aus dem Mangel als aus der Fülle geschieht ... In den Märchen sind es meistens die in ihrer Kindheit Benachteiligten, die schließlich zu Glückskindern werden … Aber man muss auch das Glück, das sich wohl immer nur als eigene Entwicklung verwirklichen kann, wollen …“ (S. 43)
Es ist eine wahre Schatzgrube, die sich auftut, wenn man in den Briefen liest. Bertolt Brecht bedankt sich in seinem Gedicht „Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration“ bei dem Zöllner, der durch seine Frage den Weisen zu Antworten veranlasst.
„Aber rühmen wir nicht nur den Weisen,
Dessen Name auf dem Buche prangt!
Denn man muss dem Weisen seine Weisheit erst entreißen.
Darum sei der Zöllner auch bedankt:
Er hat sie ihm abverlangt.“

Wobei Dorothea Buck immer sehr freigebig mit ihrer Weisheit ist, die ein langes engagiertes aktives Leben reifen ließ. Wir danken ihr und ihren Briefschreibern!

Fünf-Sterne-Rezension von Klaus Roth auf amazon.de:
Für Psychose-Erfahrene sehr hilfreiche Sichtweisen
In "Mit meinen herzlichen Grüßen! Der Gartenhaus-Briefwechsel" haben die Herausgeber Hartwig Hansen und Fritz Bremer Ausschnitte aus dem Briefwechsel von Dorothea Buck zusammengestellt. Die Herausgeber haben sich auf den Zeitraum zwischen 1990 und dem Jahr 2000 beschränkt. Hier und da, aber nicht immer, findet sich ein Verweis auf Dorothea Bucks Erstlingswerk und Autobiografie "Auf der Spur des Morgensterns. Psychose als Selbstfindung". Über den Zeitraum zwischen 1990 und 2000 beschränkt haben sich die Herausgeber auch in einer zweiten Hinsicht eingeschränkt. Es wurde sich auf "eine persönliche Rückmeldung auf ein lebenspraktisches Anliegen bzw. einen Beitrag zum eigenen Psychoseverständnis" (So die Herausgeber im Vorwort auf Seite 12) beschränkt.
Das Buch stellt meines Erachtens eine gute und keine überflüssige Ergänzung zu den beiden anderen Werken der Autorin dar. Vor einigen Monaten las ich die Autobiographie der 1917 geborenen und zum Zeitpunkt dieser Rezension noch lebenden Dorothea Buck. Unmittelbar vor dem im vorliegenden Buch dokumentieren Briefwechsel las ich "Ermutigungen", in welchem ausgewählte Schriften der Autorin zusammengestellt waren. Die Autobioprafie "Auf der Spur des Morgensterns" beschränkte sich sehr stark auf die eigene Geschichte. "Ermutigungen" ließ dem gegenüber viel stärker die Erfahrungen anderer Menschen miteinfließen, welche Dorothea Buck im Rahmen verschiedener Gruppen kennenlernte.
Fast ausschließlich besteht der Briefwechsel, welchen ich hier rezensiere, aus einem Wechsel auf fragende Anschriften und einer Antwort von Dorothea Buck. Die Briefe sind jeweils unter verschiedenen Gesichtspunkten durch die Herausgeber gekürzt worden, sodass sich eine Abfolge kurzer Fragebriefe und kurzer Antwortbriefe ergibt. Nur vereinzelt findet sich ein alleinstehendes an Frau Buck gerichtetes Anschreiben oder ein für sich allein stehendes Schreiben von Frau Buck. Ebenso selten ist die Abfolge von Briefwechsel mit ein und demselben Gegenüber.
Für mich ist ein wesentlicher Unterschied zwischen "Ermutigungen" und dem "Gartenhaus-Briefwechsel", dass sich Erstere mehr auf eine Besprechung der Vergangenheit konzentrieren. Während sich der Gartenhaus-Briefwechsel mehr darauf konzentriert, was man nun konkret in der Gegenwart für sich tun könnte. So hatte ich keine Probleme, die Ermutigungen und den Gartenhaus-Briefwechsel unmittelbar nacheinander zu lesen. Denn zum einen unterscheiden sich beide Arbeiten stilistisch und zum anderen inhaltlich voneinander.

Sascha Heuer in der Zeitschrift "Zwielicht":
1990 veröffentlichte Dorothea Buck ihr bahnbrechendes Buch „Auf der Spur des Morgensterns – Psychose als Selbstfindung", in dem sie über ihr Leben mit fünf psychotischen Schüben zwischen 1936 und 1959 schrieb. Sie wurde damit für viele Menschen zum Vorbild und zu einer Hoffnung dafür, dass eine Psychose heilbar sein kann, wenn ihr Sinn verstanden und ins Leben einbezogen wird. Und andererseits gab es nun eine Stimme gegen eine gesprächslose und defizitorientierte Psychiatrie und für neue Formen und Versuche (zum Beispiel Psychose-Seminare). Viele Menschen schrieben Dorothea Buck nach Erscheinen des Buches und fragten um Rat.
Das neu erschienene Buch „Mit meinen herzlichen Grüßen! Ihre Dorothea Buck" dokumentiert ca. siebzig Briefwechsel.
Dorothea Buck ist inzwischen 99 Jahre alt und hat ihre umfangreiche Briefkorrespondenz Hartwig Hansen und Fritz Bremer vom Paranus Verlag zur Verfügung gestellt. Diese haben sich in mühevoller Kleinarbeit daran gemacht, diesen zu sichten und zu sortieren und haben daraus das vorliegende Buch zusammengestellt. Es sind darin ca. siebzig Briefe mit Fragen, Schilderungen, Eindrücken und Problemen (manchmal auch akuten) von betroffenen Menschen, Angehörigen, in der Psychiatrie Tätigen und Anderen zu lesen – und die Antworten von Dorothea Buck darauf.
So beschreibt zum Beispiel eine Fr. G. von ihren Erfahrungen in einer Klinik, wo das Personal überhaupt keinen Zugang zu ihrem inneren Erleben vor und während der Psychose bekam und sie sich somit als völlig falsch behandelt gefühlt hat. Dorothea Buck schreibt ihr dazu:
„Sie schreiben, die Psychiatrie hat mich ans falsche Ufer zurückgeholt. Genau das scheint mir der Irrtum der Psychiatrie zu sein, dass sie gar nicht bemerkt, dass eine Psychose sehr häufig aufbricht, um einen dem Betreffenden nicht gemäßen Weg zu verändern, etwas aus den Erfahrungen der Psychose zu lernen, für sich fruchtbar werden zu lassen. Die in der Psychose von vielen erlebte 'Wiedergeburt' müsste unsere Psychiater eigentlich schon längst auf diese Spur gebracht haben. Aber das Inhaltliche spielt in der Psychiatrie noch immer nur eine geringe Rolle.“
Darum geht es Dorothea Buck immer wieder: Die Psychose als Teil eines Entwicklungsprozesses zu verstehen und nicht als rein krankes Verhalten, das mittels Medikamenten verschwinden soll.
Im Nachwort schreiben Hartwig Hansen und Fritz Bremer dazu:
„Die Inhalte des Unbewussten – zum Beispiel durch unsere Träume – wahrzunehmen und sie uns bewusst zu machen, das ist die Integrationsarbeit, die wir leisten können, um dem 'Anderen', dem 'Fremden' in uns selbst Raum zu geben, um vollständiger und erwachsener zu werden."
Und dieses ist doch eine Aufgabe, die uns die betrifft, ob mit oder ohne Psychose.
Bei der Psychose ist halt „nur“ die Intensität des Unbewussten viel stärker.
In vielen Briefen geht es auch um die Medikamente. So antwortet Dorothea Buck in einem Brief an einen sich sorgenden Vater: "Die Leere im Kopf, über die ihr Sohn Georg klagt, wird höchstwahrscheinlich durch die Medikamente verursacht Eh er in Behandlung kam, klagte er darüber, dass sein Kopf wie zerrissen sei. So wäre es für Ihren Sohn wahrscheinlich eine Hilfe, wenn er seine gemachten Erfahrungen mit anderen austauschen würde. Leider haben unsere Psychiater die Sorge, dass geäußerte Psychoseerfahrungen die Patienten noch tiefer in die Psychose gleiten lassen könnten. Darum werden solche ausgesprochenen Erfahrungen in der Regel mit noch mehr Medikamenten beantwortet. Dem Patienten bleibt keine Möglichkeit, sein Erleben zu reflektieren und mit anderen, die Ähnliches erleben, zu besprechen und besser zu verstehen. Die nur medikamentös ins Unbewusste zurückgedrängten Erfahrungen werden von sich selbst abgespalten, bis sie erneut aufbrechen.
Das miteinander sprechen, der Austausch und die Selbsthilfe spielten für Dorothea Buck eine große Rolle. Immer wieder verweist sie in ihren Briefen auf, die, zu der Zeit Anfang der 90er Jahre, mit von ihr initiierten Psychose-Seminare sowie auf verschiedenste Gruppen der Selbsthilfebewegung. Denn nur hier kämen Betroffene zu einer anderen Sichtweise ihres Erlebens:
„Solange die Psychose nur negativ und abwertend definiert wird, kann der Betroffene sich nur schwer dieser negativen Bewertung entziehen, die natürlich zu Ängsten führen muss, womöglich an einer unheilbaren Krankheit zu leiden. dem suchen wir nun durch unseren Zusammenschluss in einem Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener entgegenzuwirken und Hilfe bei der Verarbeitung des immer aufwühlenden Pychoseerlebens zu erreichen."
Die Vielfalt der Anliegen der unterschiedlichsten Menschen und die immer wieder spannenden und teils weisen, manchmal aber auch praktischen Antworten dieser zu diesem Zeitpunkt ja bereits alten Frau machen dieses Buch aus meiner Sicht sehr lesenswert und es scheint mir ein wesentliches Buch zu sein für alle Menschen, die mit dem Thema Psychose in irgendeiner Art zu tun haben.
Bei mir entstand beim Lesen immer mehr der Eindruck, dass wir im Umgang mit Menschen, die eine Psychose erleben, immer noch ziemlich am Anfang stehen.

Peter Lehmann in: FAPI-Nachrichten:
Das Buch ist eine Dokumentation von Briefwechseln: Briefe an Dorothea Buck, Gründerin und Ehrenvorsitzende des Bundesverbands Psychiatrie-Erfahrener e.V., als Reaktion unter anderem auf ihr Buch "Auf der Spur des Morgensterns" sowie auf Fernseh- oder Rundfunkauftritte. Die Herausgeber Hartwig Hansen und Fritz Bremer haben 20 Ordner mit gesammelten Briefen von Betroffenen, Angehörigen und Profis sowie Durchschlägen der Antworten durchforscht und nach Themengebieten geordnet, mit Schwerpunkt auf lebenspraktische Anliegen und eigenem Psychoseverständnis. Mit beeindruckender Klarheit, Ausführlichkeit, Integrität und Geduld geht Dorothea Buck auf eine kaum überschaubare Palette von Themen ein: Deutung von Wahninhalten, familiäre Probleme, Berufs- und Studienwahl, Faschismus, Psychopharmaka, Schlafstörungen, naturheilkundliche Mittel, Fußbäder, Vorausverfügungen, Chaostheorie, Psychoseseminare, Selbstdiskriminierung durch Übernahme psychiatrischer Diagnostik, Vorenthalten von Gesprächen in der Psychiatrie, Soteria, Veränderung der Psychiatrie etc. All ihre Briefe sind getragen von Hoffnung, Zuversicht und Ermutigung zur Selbsthilfe, sie kommentiert, erklärt, macht konkrete Ratschläge. Wenn man sich fragt, wo sie all die Kraft und Zeit hergenommen hat, so ausführlich und individuell auf all die Briefe voller existenzieller Problemen einzugehen, ergibt sich der Großteil der Antwort sicher aus ihrer Einsicht der Gabe und Berufung, andere Psychiatriebetroffene ermutigen zu können, und aus ihrem Gottvertrauen und christlichen Glauben, den sie wohltuend ohne jegliches pastorale Brimborium äußert. Und dann ist da noch die zusätzliche, Kraft gebende Wertschätzung ihrer Einsichten und Äußerungen, die in den Briefen an sie enthalten ist.

Ulrike Bauer in: Magazin des PARITÄTISCHEN:
Ermutigende Dialoge
Es ist nicht übertrieben, Dorothea Buck als die Grande Dame der Bewegung Psychiatrie-Erfahrener in Deutschland zu bezeichnen. Jetzt hat der Paranus-Verlag wichtige Dokumente aus Bucks Briefwechsel als Buch herausgebracht.
1917 in Naumburg an der Saale geboren, erkrankte Dorothea Buck im Alter von 19 Jahren an Schizophrenie und wurde 1936 in die von Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel eingewiesen. Dort war sie den seinerzeit üblichen menschenverachtenden Praktiken ausgesetzt und wurde aufgrund des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ auch zwangssterilisiert. Nach Ende des Zeiten Weltkriegs gelangt es Dorothea Buck als Bildhauerin zu arbeiten und von 1969 bis 1982 als Lehrerin für Kunst und Werken in Hamburg zu lehren.
Sie verfasste zudem ein Theaterstück über den hunderttausendfachen Mord an psychisch kranken und behinderten Menschen in der NS-Zeit und engagierte sich in Vorträgen und Aufsätzen für eine humanere Psychiatrie.
Gemeinsam mit dem Psychologe Thomas Bock gründete sie in Hamburg in der Psychiatrie der Universitätsklinik das erste Psychoseseminar, eine trialogische Gesprächsrunde, die Psychatrieerfahrenen, Angehörigen und in der Psychiatrie Beschäftigten auf Augenhöhe einen gleichberechtigten Wissens-, Meinungs- und Erfahrungsaustausch über psychische Erkrankungen, deren Sinnhaftigkeit und Behandlung ermöglicht. 1992 gründete Dorothea Buck mit anderen Betroffenen den Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener, dessen Ehrenvorsitzende sie ist. Zwei Jahre zuvor erschien unter dem Pseudonym Sophie Zerchin, einem Anagramm des Wortes Schizophrenie, Dorothea Bucks Biografie „Auf der Spur des Morgensterns — Psychose als Selbstfindung". Mit diesem wegweisenden Heilungsbericht ermutigte sie andere Betroffene, die Erkrankung nicht nur als Leid zu sehen, sondern auch als mögliche Problemlösungsstrategie zu würdigen, an sich selbst zu glauben und zu arbeiten.
Bis zu ihrem Umzug in eine betreute Einrichtung im Sommer 2013 lebte Buck in Hamburg in einem Gartenhaus, das ihr zugleich als Arbeitsplatz und Heimstatt für ihre Plastiken diente, und in dem sie mit herzlicher Gastfreundschaft viele Besucherinnen und
Besucher begrüßte. Aus der dort gesammelten Korrespondenz, vor allem aus der Zeit nach Erscheinen des Morgenstern-Buchs, hat der Paranus-Verlag a1s Verlag der Psychiatrie-Erfahrenen wichtige und beispielhafte Texte für das neue Buch „Mit meinen herzlichen Grüßen! Ihre Dorothea Buck — Der Gartenhaus-Briefwechsel“ zusammengetragen, das Zeitdokument und Ratgeber zugleich ist. Es ist in Buch voller Erfahrung und Weisheit, vermittelt von einer Persönlichkeit, der es gelang, eigenes Leid in Hoffnung und Kraft zu verwandeln.

Marianne Bosshard auf: www.socialnet.de
Thema
Es geht um die Bedeutung und das Verstehen von psychotischen Krisen und den Umgang mit den in diesen Krisen aufbrechenden Impulsen – jenseits klinisch-psychiatrischer Krankheits- und Therapievorstellungen.
Autorin
Die heute 99-jährige Dorothea Buck setzt sich seit vielen Jahren als „Psychose-Erfahrene“ für eine Psychiatrie ein, in der das Erleben der psychotischen Menschen im Mittelpunkt steht.
Sie ist maßgeblich beteiligt gewesen am Kampf für die Anerkennung der von den Nationalsozialisten sterilisierten Menschen als „rassisch Verfolgte“ (1980er Jahre).
Sie ist Mitbegründerin der trialogischen „Psychose-Seminare“ (1989), 1992 hat sie den Bundesverband der Psychiatrie-Erfahrenen mit ins Leben gerufen, der als Selbsthilfegruppe eine gewichtige Stimme hat.
Sie ist die Autorin von „Unterwegs zum Morgenstern – Psychose als Selbstfindung“ (1990 erschienen unter dem Pseudonym Sophie Zerchin=Schizophrenie). Hier erzählt sie von ihren psychotischen Krisen und ihren schrecklichen Erfahrungen in der Psychiatrie während der Nazizeit.
Seit ihrer letzten Psychose 1959 brauchte sie diese Krisen nicht mehr, arbeitete als Bildhauerin, dann als Lehrerin für Kunst und Werken an einer Fachschule für Erzieherinnen, und schließlich widmete sie sich ganz dem Kampf für eine andere, humane Psychiatrie. Dieses Buch gibt es inzwischen in der 5. Auflage, und hat unter Betroffenen und Profis viel in Bewegung gesetzt.
Herausgeber
Hartwig Hansen gehört als Psychologe, ehemaliger Geschäftsführer im Psychiatrie-Verlag, Autor und Herausgeber von Büchern, die vom Erleben und den Bedürfnissen psychisch erkrankter Menschen handeln, ebenso in die von Buck geprägte psychiatrische Bewegung der letzten 30 Jahre wie Fritz Bremer, der pädagogischer Leiter der „Brücke“ in Neumünster ist, einem Verein, der vielfältige psychosoziale Hilfen für Menschen mit psychischen Krankheiten anbietet. Der Paranus-Verlag ist integrierter Bestandteil dieser Hilfsangebote und bietet den dort Betreuten in all seinen Produktionsbereichen Arbeits- und Betätigungsmöglichkeiten.
Entstehungshintergrund
Das Morgensternbuch und die vielen anschließenden Lesungen, Interviews, Vorträge und psychiatrie-politischen Aktivitäten machten Dorothea Buck schnell bekannt und führten unter anderem zu einer Flut von Briefen, die sie in dem Hamburger Gartenhaus, in dem sie seit vielen Jahren lebte, erreichte. Sie beantwortete jeden Brief und hob die gesamte Korrespondenz auf. So entstand ein einmaliger, ganz besonderer Dialog – der Gartenhausbriefwechsel – zwischen Rat suchenden psychiatrie- und psychose-erfahrenen Menschen und einer einfühlsamen, klugen Ratgeberin.
2013 zog die 96-Jährige aus dem Gartenhaus aus in eine betreute Einrichtung und übergab ihren Nachlass und die gesamte Korrespondenz den beiden Herausgebern, die sie als vertrauenswürdige Menschen kennengelernt hatte. Die beiden wählten aus der Fülle des Materials 70 Briefdialoge aus und legen sie in diesem Buch vor.
Aufbau
Das Buch besteht aus Vor- und Nachwort der Herausgeber und dem eigentlichen Briefwechsel.
Einleitend wird Dorothea Buck als wichtige, unermüdliche Kämpferin für eine humane Psychiatrie vorgestellt, das Zustandekommen des vorliegenden Buches und die Vorgehensweise bei der Auswahl der Briefe begründet.
Im Nachwort ordnen Hansen und Bremer die vielen in den Briefen niedergeschriebenen Gedanken und beschreiben, was für sie das Wesentliche darin ist.
Der eigentliche Briefwechsel erstreckt sich über zehn Jahre, die Zeit von 1990 bis 2000: 70 persönliche Briefe von Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung, von Angehörigen aber auch von Psychiatrisch Tätigen, mit Datum und anonymisierendem Namen versehen, und 70 persönliche Antworten. Die Herausgeber haben in den meisten Fällen einen einmaligen Austausch dargestellt, manchmal aber auch ein mehrfaches Hin und Her. Frau Buck hatte ihre Antworten mit der Schreibmaschine getippt und die Durchschläge abgeheftet. Die Briefe sind chronologisch geordnet, und der jeweilige Briefdialog ist mit einem prägnanten Motto aus Frau Bucks Antwortbrief versehen.
Inhalte
Für die meisten Menschen, die sich an Frau Buck wenden, ist das Morgensternbuch der Anlass: Die dort beschriebenen schrecklichen Erfahrungen, die Auseinandersetzung damit und ihre Überwindung geben Anlass zu Fragen und zu Hoffnung. Und so erfährt man beim Lesen der Briefe viel über Psychosen der Schreiberinnen und ihre Erfahrungen mit der Psychiatrie:
Einsamkeit, Isolierung, Ratlosigkeit, Verzweiflung, Ohnmacht, Hilflosigkeit, Unverstandensein, Verbitterung, Enttäuschung, Sinnlosigkeit, Lebensmüdigkeit sind immer wiederkehrende Themen. Man kommt darüber hinaus nicht umhin, in den Briefen schwere Krankheitssymptome zu erkennen:
Verfolgungs- und Beziehungswahn, Halluzinationen, Leere und Zerrissenheit, Projektionen, Ideenflucht, tiefe Depressionen…
Es sind Menschen mit großen Sorgen in großer Not, die schlechte Erfahrungen in der Psychiatrie gemacht haben. Immer wieder fragt man sich beim Lesen so eines Briefes: Wie wird sie darauf antworten?
Ihre Antworten sind durchweg einfühlend und voller Verständnis. Sie geht direkt, persönlich, manchmal auch resolut auf den Ratsuchenden ein. Immer entdeckt sie, selbst beim zutiefst verzweifelten Schreiber, einen positiven Anknüpfungspunkt oder macht Vorschläge für eine neue Strategie beim Umgang mit Behörden oder rät, wenn es sein muss auch streng, sich nicht weiterhin abhängig zu machen, sondern die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.
Ihre zentralen Themen sind Psychiatriekritik, ihr Psychoseverständnis, Heilung durch Kreativität, Selbstbestimmung und Selbsthilfe. Ganz unverblümt, teilt sie die Wut über unmenschliche Behandlungen in der Psychiatrie und kritisiert insbesondere die biologischen Grundannahmen, die Erbtheorien im Zusammenhang mit der Diagnose Schizophrenie und die Behauptung ihrer Unheilbarkeit, die Überbewertung der Medikamente und die mangelnde Aufklärung über Nebenwirkungen und den Verzicht auf Gespräche.
Ihre psychiatrischen Gewährsleute sind C.G. Jung, der selbst eine Psychose hatte und die Bedeutung der Träume und des Unbewussten in diesem Zusammenhang betonte, und Manfred Bleuler, der durch seine Verlaufsforschungen zeigen konnte, wie breit das Spektrum der Verläufe von schizophrenen Psychosen ist – von der Heilung bis zur Chronifizierung.
Ihr eigenes Psychoseverständnis geht vom Aufbrechen unbewusster Impulse in der psychotischen Krise aus. Diese Impulse sind so normal wie Träume. Was da aus dem Unbewussten auftaucht, kann auch düster und beängstigend sein. Wichtig ist, dem Raum zu geben, zu versuchen, es zu verstehen, das Leitthema zu erkennen und zu verarbeiten. Und hier setzt sie auch ein mit ihrem Rat: Kreativität steht für sie an erster Stelle, denn für sie selbst war es eine große Hilfe, sich künstlerisch auszudrücken. Jeder Mensch verfügt über diese Fähigkeit – es ist nur wichtig, diese zu entdecken. Immer wieder heißt es: „Finden Sie etwas, das Ihnen wichtig ist, nehmen Sie das ernst und setzen Sie es um, fangen Sie noch heute damit an. Dies kann Ihnen auch niemand abnehmen.“ Ein weiterer wichtiger Schritt ist das Aufgeben der Einsamkeit. Das ständige Kreisen um die eigene Person führt nicht weiter, man braucht Themen, Aufgaben und andere Menschen. Hierzu stellt sie Literatur, Adressen und Listen von Psychose-Seminaren und Selbsthilfegruppen zur Verfügung, denn hier findet man – anders als beim Psychiater – Gesprächspartner und Zuhörer.
Diskussion
Die biologische Psychiatrie ist da problematisch, wo sie die Patienten unaufgeklärt und abhängig lässt. Buck setzt zunächst auf das Ernstnehmen der ins Unbewusste verdrängten und abgespaltenen Impulse und Gefühle, genauso wichtig ist dann aber das Aufspüren und die Mobilisierung der immer auch vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten des Ichs und, last but not least, die Zuwendung zur Realität und zu anderen Menschen. Das ist möglich und nötig, immer wieder zeigt sie es am Beispiel ihrer eigenen Geschichte.
Fazit
Betroffene, Angehörige, psychiatrische und psychotherapeutische Profis, aber auch „Gesunde“ profitieren von diesem Blick auf die angesprochenen Grundprobleme der menschlichen Existenz. Es befreit von eingefahrenen durch Diagnosen festgelegten Krankheits- und Behandlungskonzepten und öffnet den Blick für naheliegende, ganz „gewöhnliche“ Lösungen.

Rezensentin: Prof. Dr. Marianne Bosshard


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