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Die Wanderung

Rezensionen

Hilde Schädle-Deininger in: Psychiatrische Pflege:
Ein ungewöhnliches Buch, das die persönliche Geschichte von Bert Boers mit seiner psychiatrischen Erfahrung, seinem Psychiater und seiner Familie, die Beziehungen, das gemeinsame Erleben in den Mittelpunkt stellt. (...) Es ist geprägt von einer großen Achtung vor Menschen und zeigt Begegnungen in einem Kontext auf, die zwischen dem Patienten, seinen Angehörigen und dem professionellen Helfer nicht alltäglich sind. (...) Deshalb ist das Buch einfach für alle Psychiatrie-Tätigen ein Muss und sehr empfehlenswert!

Christina Will-Bruhn in: Der Eppendorfer:
"Die Wanderung" ist ein bewegendes Buch. Zumal der Autor nicht nur die persönliche Geschichte von Bert Boers und dessen Familie erzählt, sondern seine ureigene Geschichte als Psychiater und seine Gefühlsebene danebenstellt. Natürlich werden dabei Parallelen und Brücken in den Lebenswegen von Patient und Psychiater deutlich. Lassen auch Sie sich bewegen – und "wandern" Sie mit!

Karin Wisch in: systhema:
Die Schilderungen in diesem Buch sind bewegend und machen Mut sich einzulassen. Allen Mitarbeitern in Arbeitsbereichen mit chronifizierten Menschen ist dieses Buch zu empfehlen.

Jutta Isenmann in: Seelenpresse:
Das Besondere an diesem Buch ist, dass es Wege aufzeigt, wie eine Stigmatisierung durch Diagnosen aufgehoben werden kann und hinter der Maske des Langzeitpatienten ein Individuum auftaucht. Der Alltag wird gemeinsam verhandelt. Arzt und Langzeitpatient begegnen sich nach und nach als Menschen. Eine Art der Begegnung, die auch heute in der Psychiatrie noch lange nicht selbstverständlich ist.

Michael Gohl im Rundbrief des VPE Bielefeld:
Es handelt sich hier um eine trialogische Biografie, was an sich schon etwas Neues darstellt. (...) Wenn alle Beteiligten gemeinsam (in Augenhöhe) sich auf den Weg machen würden, die Wanderung des Lebens zu bestehen, würde die Psychiatrie irgendwann ihre Schrecken verlieren und auch chronisch Kranke hätten die Chance, Freude am und Sinn im Leben zu finden, auf dieser Pilgerreise, auf der wir alle sind, nicht allein zu sein!

J. Klose & M. Gerken in: Schloßgeister:
Ein sehr interessantes Buch. Der Trialog lässt deutlich werden, welche Beziehungen zwischen Arzt, Patient und Familie entstehen können. Die Redaktion meint, dieses Buch vermittelt Eindrücke, die sonst im "Alltagsdunkel" der Psychiatrie untergehen.

Lutz Debus in: Soziale Psychiatrie:
Dieses Buch ist ein Plädoyer für trialogische Arbeit, für Beziehungsarbeit, für die Wiederaneignung der Biografie, der der Patienten und der eigenen. Dies lohnt sich.

pro mente sana aktuell:
"Die Wanderung" ist ein ungewöhnliches Buch. Ein engagierter Psychiater schreibt über "einen Fall". Entstanden ist aber nicht ein Fallbericht oder ein Lehrstück zu Ausbildungs- oder Dokumentationszwecken, sondern eben das kleine Kunstwerk des Versuchs einer "trialogischen Biografie". (...) Ein Aufbruch in ein Stück Neuland ist für mich, dass die Biografien und Haltungen des "Behandelnden" und des Klienten und seiner Familie praktisch gleichzeitig und gleichwertig nebeneinander stehen. Petry scheut sich auch nicht, über eigene Ängste, Zweifel und Unzulänglichkeiten zu sprechen, über das "Ringen um eine gemeinsame Ebene". Dieses Buch ist – trialogisch – für Betroffene, Angehörige und Fachleute der Psychiatrie sehr zu empfehlen!

Christine Theml in: Nicht ohne uns:
Ich empfehle, das Buch zu lesen, denn mit ihm wächst viel Verständnis für einen menschenwürdigen, entwicklungsfördernden Umgang mit chronisch psychisch kranken Menschen.

Marianne Bosshard auf www.socialnet.de:
Entstehungshintergrund und Ãœberblick
Der Psychiater Dr. Petry trifft den schizophrenen Langzeitpatienten Boers und macht sich mit ihm auf den Weg. Auf der langen gemeinsamen Strecke gibt es Begleiter - die Eltern, die Geschwister, die erweiterte Familie aber auch andere wichtige Menschen wie der Dorfpfarrer. Während der Wanderung durch 20 Jahre wird der Doktor zu Detlef Petry und der Patient zu Bert Boers. Beide haben eine Geschichte, die der Leser kennen lernt. Gleichzeitig wird er auf weitere Wanderungen mitgenommen: durch psychiatrische Institutionen und ihre Geschichte, durch Welt- und Dorfgeschichten, durch Flusslandschaften an Maas und Weser. So entsteht eine "trialogische Biografie". Wenn ein individuelles Schicksal im Zusammenhang mehrerer Generationen gesehen wird, werden neue und wichtige Beziehungen sichtbar. Der Familientherapeut Hartwig Hansen stand Petry als Lektor zur Seite und schärfte seinen Blick für die Bedeutung der "Mehrgenerationenperspektive".

Der Autor
Der aus Deutschland in die Niederlande kommende Sozialpsychiater Petry übernahm 1978 die Abteilung für Langzeitpatienten in der psychiatrischen Klinik Vijverdal in Maastricht mit der festen Absicht, die Situation der dort lebenden 175 Langzeitpatienten zu verändern, und beschreibt in diesem Buch den Prozess der Veränderung: vom Aufenthalt in einer "totalen Institution" zum menschenwürdigen Leben außerhalb. Die Patienten bekommen ihr Gesicht und ihre Geschichte zurück, den beiseite geschobenen Angehörigen wird wieder mit Achtung begegnet, und das Personal auf der Langzeitstation bekommt die verdiente Anerkennung. Am Beispiel von Bert Boers und seiner Familie wird dieser Veränderungsprozess beschrieben.

"Trialog"
Der Begriff "Trialog" stammt aus den Psychose - Seminaren, an denen Patienten, Angehörige von Patienten und psychiatrische Experten teilnehmen. Er steht für den Wunsch von Patienten und Angehörigen, als Subjekte in die Behandlung mit einbezogen zu werden. Sie wehren sich damit gegen den objektivierenden Blick der Experten auf den Kranken und gegen die Schuldzuweisungen an die Angehörigen und ihre Vernachlässigung in der Psychiatrie, obwohl sie oft psychisch und finanziell maximal belastet sind durch die Erkrankung.

"Trialogische Biografie"
Das Herzstück des Buches ist die "Trialogische Biografie". Vier vorbereitende Kapitel führen uns zunächst in die Welt der Klinik, beschreiben Bert Boers Lebens- und Krankengeschichte, die Geschichte seiner Familie und die Lebensgeschichte des Psychiaters Petry. Die eigentliche "Trialogische Biografie" stellt schließlich den fortlaufenden Prozess der Verständigung und Veränderung dar und lässt ein komplexes und liebenswertes Bild von allen Beteiligten entstehen. Wie es sich für einen Reisebericht gehört ist der Text mit vielen illustrierenden Fotos, Dokumenten und Bildern ausgestattet.
Petrys zentrale These ist, dass Chronizität in der Psychiatrie und "Negativ-Symptomatik" Folgen der Klinikbehandlung sind, und er zeigt, wie Patienten sich verändern, Krankheitssymptome in den Hintergrund treten, Entspannung eintritt, Selbständigkeit, Würde und Hoffnung zurück gewonnen werden können. Diese Veränderungen sind nicht das Ergebnis einer neuen Therapie oder raffinierter Medikation. Im Gegenteil, die Medikation wurde innerhalb von fünf Jahren auf die Hälfte reduziert. Was aber hilft sind: häufige gemeinsame Hausbesuche, Entlastung der Familie durch Gespräche, gemeinsame Regelung der einfachen Dinge des Alltags, gemeinsames Handeln im Alltag, eine "Kultur des täglichen Lebens", aktive Gemeinschaft, Abbau von Macht und Ungleichheit, Verhandeln und Handeln anstelle von Behandeln, Rausgehen aus der Klinik, Kennenlernen der Orte, die mit der Psychose zu tun haben, das Verstehen der Psychose als Lebensproblem und nicht als Krankheit, Aufgeben von Diagnosen zugunsten individuellen Verstehens.

Zielgruppen
Da dieses Buch von Patienten, Eltern, Geschwistern, von Psychiatern, Krankenschwestern, Sozialarbeiterinnen und Pfarrern erzählt, ist es auch all diesen am "Trialog" beteiligten Gruppen zum Lesen zu empfehlen. Vor allem aber ist es ein wichtiges Buch für diejenigen, die mit psychiatrischen Langzeitpatienten arbeiten oder sich auf diese Arbeit vorbereiten, z. B. auch Studenten der sozialen Arbeit. Mit ihnen könnte man mit Hilfe dieses Buches sehr gut Fragen diskutieren wie:
* Was ist grenzüberschreitende Nähe?
* Was ist abwehrende oder angstvolle Distanz?
* Was ist "natürliche" und passende Nähe beim Umgang mit Klienten?

Diskussion
Das Buch ist wichtig, weil es den Druck nimmt, schnell etwas bewirken zu müssen, trotzdem aber Hoffnung macht und, nicht zuletzt, die Arbeit in diesem eher vernachlässigten Bereich aufwertet. Ob allerdings diejenigen, die auf positive Wirkung der atypischen Neuroleptika bei schizophrenen "Negativsymptomen" setzen, kurze und effektive psychoedukative Kurse zur Verbesserung der Compliance durchführen und neue software für das Cognitionstraining zum Einsatz bringen, an diesem Buch Freude haben werden, wage ich zu bezweifeln.
Das Buch lässt sich gut lesen, und die vielen Fotos bringen uns die Situationen und Menschen, von denen die Rede ist, sinnlich nahe. Die Sprache ist einfach, gelegentlich auch holprig, in gewisser Weise den Themen "Wanderung" mit offenem Ziel und Suchen nach Verstehen entsprechend. Wissenschaftliche, medizinische, psychiatrische Begriffe werden eher gemieden, manchmal auch sehr verkürzt erklärt. Petry weiß, dass er mit seinem Ansatz außerhalb der "evidence based" psychiatrischen community steht, beruft sich deshalb auch umso stolzer auf den großen alten Mann der Sozialpsychiatrie, seinen Mentor undFreund Douglas Bennett, auf Klaus Dörner oder Philosophen wie Gadamar, Camus oder Habermas. Psychiatrie ist eben mehr als die Beeinflussung der Neurotransmission durch Neuroleptika.

Fazit
Es gibt heute schon eine ansehnliche Reihe bewegender subjektiver Zeugnisse zum Leben mit Psychosen aus der Sicht von Betroffenen und Angehörigen. Hier handelt es sich um den Bericht eines Psychiaters, der seinen Lebenslauf mit dem seines Patienten zusammengeführt hat und uns teilnehmen lässt an seinem Weg durch Landschaften, die sowohl menschlich, alltäglich als auch psychotisch sind.

Rezensentin: Prof. Dr. Marianne Bosshard
Fachhochschule Köln, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften


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