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Worte verändern die Welt

Rezensionen

Tom Levold auf www.systemagazin.de am 10.9.2009:
Thomas Erlach ist Sozialwissenschaftler, arbeitet als Behindertenbetreuer und ist Mitinitiator der Linzer Initative, einem Netzwerk kritischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Sozialbereich. In seinem Buch über die "Die Macht der Sprache in der ökonomisierten sozialen Arbeit", dem die Wut im Bauch durchaus anzumerken ist, kritisiert er den semantischen Umbau der Sozialen Arbeit hin zu einem System mit betriebswirtschaftlicher Logik, in dem "Klienten" zu "Kunden" werden, ohne überhaupt - wie übrigens auch die Professionellen selbst - an diesem Prozess beteiligt zu sein. Unterfüttert werden seine Thesen mit Interviews von Praktikern der Sozialen Arbeit. systemagazin bringt einen Vorabdruck des Kapitels "Konstruktivismus und die Wirklichkeit sozialer Arbeit". Siehe unter: www.systemagazin.de

Detlef Rüsch auf amazon.de:
"Die Macht der Sprache in der ökonomisierten sozialen Arbeit" (so der Untertitel zu diesem Buch) wird hier sehr eindrücklich beschrieben. Es gelingt dem Autor mit dieser Analyse auf einen schleichenden Prozess aufmerksam zu machen, der jedoch nicht nur den sozialen Bereich betrifft, sondern auch beispielsweise im Bildungsbereich und in der Medienberichterstattung immer mehr um sich greift:
Worte werden gezielt gesetzt, um Entwicklungen zu beschönigen, zu verschleiern oder machtpolitische Interessen durchzusetzen. Die Wechselwirkung zur tatsächlichen sozialen Arbeit darzustellen, ist ein großer Verdienst des Buches.
(...) Ein elementar wichtiger Anstoß, sich der persönlichen Sprach- und Begriffswahl bewusster zu werden.
Für alle Personen, die im sozialen Bereich bewusst Veränderungsprozesse begleiten möchten, die nicht zum Nachteil für Hilfe suchende Menschen gereichen sollen, ist diese Lektüre ausgesprochen nützlich. Und vielleicht merken dann auch mehr Menschen, wie schnell Begriffe und Worte genutzt werden, um nachteilige Prozesse schönzufärben.

Oberösterreichische Nachrichten:
In seinem kritischen Buch schreibt Erlach, der selbst Behindertenbetreuer ist, haarklein, wie sich durch die Macht der betriebswirtschaftlichen Schalmeien-Worte die tägliche Sozialarbeit verändert bzw. verändern wird. Eine profunde Analyse, die unbedingt auf den Schreibtischen der entsprechenden Entscheidungsträger landen möge.

Verena Liebers in: Der Eppendorfer:
Kleider machen Leute und Worte eine Welt. Wer „Kunden effizient zu sicherer Qualität führen soll“, kann vielleicht Handys verkaufen oder Manager schulen. Aber lässt sich auch soziale Arbeit mit diesen Ausdrücken beschreiben? Ist in dieser Sprache noch Platz für das Wesentliche der Tätigkeit, das Miteinander und den Menschen an sich?
Thomas Erlach, seit 24 Jahren in der sozialen Arbeit tätig, begibt sich auf eine sehr persönlich motivierte Forschungsreise. Sein Ärger über die zunehmende Ökonomisierung im sozialen Bereich hat ihn dazu gebracht, das Thema zu hinterfragen und im Kontext soziologischer Theorien zu betrachten. (…) Erlachs mühevolle Arbeit ist keine Pro- und Contra-Darstellung, sondern eher eine Streitschrift gegen betriebswirtschaftliches Denken in der sozialen Arbeit. (…) Während Sprachwissenschaftler beobachten, wie sich Sprache im Zeitgeist verändert, sieht Erlach die soziologische Perspektive: Worte prägen das Handlungsgeschehen. Menschen gestalten ihre Welt und Sprache ist ein wichtiges Gestaltungsmittel. Wenn die Begriffe aber von außen befohlen werden, statt sich aus einem lebendigen Umgang zu entwickeln, ist es angebracht, hellhörig zu werden. Während sich jemand an bestimmte Worte gewöhnt, verinnerlicht er auch die zugehörigen unbewussten Botschaften. Wer „effizient“ arbeiten muss und „Gespräch“ nur nach Zeit und nicht nach Qualität abrechnen soll, wird möglicherweise sein Augenmerk weniger auf das Gegenüber und die Beziehung, als eher auf die Uhr richten.

Edith Mayer in: Psychosoziale Umschau:
In seiner Schlussfolgerung bezieht sich der Autor auf den Soziologen Oskar Negt, der die im Sozialbereich Tätigen dazu aufgefordert hat, Einfluss auf die Entwicklung in diesem Bereich zu nehmen, den die Ökonomen bereits als "Wachstumsmarkt der Zukunft" ausgemacht hätten. Die Profis dürften ihnen nicht die Deutungshoheit überlassen. (...) Dass wir in vielen Fällen die Augen davor verschließen, wie sehr die ökonomisierte Sprache unser Denken prägt und weite Teile unserer Welt verändert hat, ist leider wahr. So moniert der Autor zu Recht die Verwendung des Begriffs "Kunde" anstelle von "Patient" oder "Klient". Er empfindet es als Manipulation, dass dieser Begriff durch die Presse massenhaft verbreitet wird und in seiner Heimatregion Oberösterreich sogar per Dienstanweisung in der sozialen Arbeit durchgesetzt wurde. Man verbinde damit die Vorstellung, dass der Patient genau wisse, was er wolle, und die Freiheit habe, wohlinformiert eine selbstbestimmte Entscheidung treffen zu können. Durch die neue Terminologie werde ihm die Wahlfreiheit vorgegaukelt, die er oft gar nicht habe. In vielen Fällen sei er nur Bittsteller.
Erlach ist auch zuzustimmen, wenn er sagt, dass wir Krankheit und Leiden auf keinen Fall als persönliches Scheitern der unmittelbar Betroffenen, etwa der Patienten und der Betreuer, abtun dürfen. Wir könnten die sozialen Probleme nur gesamtgesellschaftlich lösen. Und sicher hat der Autor zumindest teilweise Recht, wenn er die Ökonomisierung des Sozialbereichs als eine Art "Reform von oben" kritisiert. Er sieht darin ein Abweichen von den traditionellen demokratischen Prinzipien Europas.
Zwar lassen sich die sozialen Probleme heute nicht mehr so einfach national lösen, dennoch ist es dringend erforderlich, dass es in unserer Gesellschaft zu "einem freien Dialog aller Beteiligten, der unmittelbar betroffenen Hilfsbedürftigen und der professionellen Helfer, darüber kommt, wie die knappen Ressourcen eingesetzt werden sollen". Und das Verantwortungsgefühl für die Schwachen sollte wieder mehr im Vordergrund stehen. Dazu fordert Erlachs Buch auf. Ich wünsche ihm viele Leser!


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