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"Ich bin ganz und richtig"

Rezensionen

M. R. in: pro mente sana aktuell:
Sollen psychotische Frauen überhaupt Mutter werden? Ist das nicht viel zu belastend für die Mutter, das Neugeborene und die ganze Umgebung? (...) Psychotische Frauen werden zwar nicht mehr zwangssterilisiert, sie stoßen aber auch heute noch mit ihrem Wunsch, Mutter zu werden, bei Fachleuten und in ihrer Umgebung auf großes Unverständnis. Lilla Sachse spricht hier von der "Strategie der Entmutigung". Sie ermöglicht es mit ihrem Buch, diese Strategie neu zu überdenken. Lebendig und bildhaft schildert sie die Situation der Mütter anhand von Interviews. (...) Abschließend gibt es konkrete Tipps für Therapeutinnen, die angehende Mütter begleiten, und geht kurz auf Kinder psychotischer Mütter ein. Das ausführliche Literaturverzeichnis ist eine wertvolle Quelle für alle, die sich in dieses Thema vertiefen wollen.

R. G. in: TABU:
Meine Frau und ich möchten ein Kind. Das ist bei gesunden Menschen schon nicht einfach; wenn jemand aber psychisch krank ist, wird es noch schwieriger. Man muss viele Dinge beachten, und man muss sich informieren. Wir wollten mit der deutschsprachigen Literatur beginnen und sind auf das Buch "Ich bin ganz und richtig" gestoßen. (...) Es war als Einstieg in die Materie schon deshalb gut geeignet, weil es Mut macht. Es zeigt Beipsiele, in denen die Schwangerschaft und die Mutterschaft psychisch kranken Frauen eher genutzt als geschadet hat. Die 14 therapeutischen Aufgaben, die Frau Sachse am Ende des Buches darstellt, sind ein guter Leitfaden. Da auch die Probleme dargestellt werden, wird man nicht zu euphorisch. Es hat mich angeregt, mich weiter mit dem Thema Schwangerschaft und Psychose auseinanderzusetzen.

Kristina Marx in: Deutsche Hebammen-Zeitschrift:
Der Autorin geht es vor allem darum, Vorurteile abzubauen, und das ist ihr, wie ich finde, auch gelungen. (...) Sehr interessant und praxisnah sind die Biographien der sieben Frauen. Hier werden Schicksale geschildert und die Patientinnen kommen auch selbst zu Wort.
Ich kann dieses Buch allen Interessierten empfeheln, denn es öffnet Türen zum besseren Verständnis psychisch kranker Frauen.

Ruth Rapp in: Der Eppendorfer:
Wie der Buchtitel schon besagt, kommt die Autorin selbst zu dem Schluus: Die Kinder psychotischer Frauen müssen nicht "von schlechten Eltern" sein. Lilla Sachse hat in ihrer knapp 30-jährigen Praxis als Psychotherapeutin die Erfahrung gemacht, dass diese Mutterschaften "nicht die gravierenden Unterschiede zu denen der psychisch gesunden Vergleichsgruppe aufweisen, wie sie in der Literatur dargestellt werden". (...) Ihre Aufzeichnungen machen schwangeren Frauen und solchen, die es noch werden wollen, Mut, sich nicht einschüchtern zu lassen, selbst wenn die Psyche ihnen zu schaffen macht.

Renate Schernus in: Sozialpsychiatrische Informationen:
"Die Grundeinstellung des Therapeuten / Psychiaters zur Schwangerschaft psychotischer Frauen verhindert eine ernsthafte Beschäftigung mit dem Kinderwunsch psychotischer Frauen. Sie wird oft nicht als eine besonnene Entscheidung, sondern als Zufallsbefund, als eine Komplikation einer unglückseligen Liaison gesehen. Diese Einstellung teilt sich übrigens auch ohne nachdrückliche Verbalisierung mit, wodurch die Frauen sich verhärten können." (S. 140)
Lilla Sachses neues Buch stellt für PsychiatriemitarbeiterInnen eine Chance dar, diese Grundeinstellung zu hinterfragen und zu korrigieren.
Im ersten Teil des Buches verweist Lilla Sachse auf die von ihr durchgesehene, vorwiegend englischsprachige Literatur zur Thematik und stellt fest, dass dort fast unisono vor allem auf die Risiken für Mutter und Kind hingewiesen werde.
Dagegen stellt Frau Sachse ihre eigenen Erfahrungen, die sie in ihrer 28-jährigen Arbeit mit psychisch kranken Frauen »vor allem in den Zeiten ihrer Mutterschaften« gemacht hat. Diese schildert sie sowohl in einem allgemeinen Überblick als auch anhand von sieben Kurzbiografien. Ihr Fazit: Kommen nicht extreme externe Belastungen hinzu, kann eine Schwangerschaft für Frauen, die zu psychotischen Episoden neigen, eine Reifungschance darstellen. Dies setze allerdings voraus, dass die Mütter, wenn möglich auch ihre Partner, psychotherapeutisch bereits lange vor der Schwangerschaft begleitet werden, und dass diese Begleitung während und auch nach der Geburt des Kindes erhalten bleibt.
Viele von psychiatrischen Fachleuten vorhergesagte Katastrophen seien als selbst erfüllende Prophezeiungen zu deuten. Der eigene Anteil der Psychiatrie an negativen Verläufen werde nicht gesehen (z. B. durch Entmutigung der Frauen und mangelnde therapeutische Begleitung).
Lilla Sachse schildert ihre eigene psychotherapeutische Arbeit in recht klassischen psychoanalytischen Metaphern. Der einen oder anderen LeserIn wird es vielleicht etwas Mühe bereiten mit den immer irgendwie logisch aufgehenden triebdynamischen Deutungsmodellen mitzugehen. Da sich diese eher mechanistische Sprechweise aber höchst originell mit einer durchaus deftigen und anschaulichen Alltagssprache mischt, bleibt die Leselust erhalten.
Sicher hat Lilla Sachse mit einer ausgewählten Population gearbeitet, zumindest in dem Sinne, dass es sich um Klientinnen handelt, die ein psychoanalytisches, zeitaufwendiges, auf Langfristigkeit angelegtes, therapeutisches Angebot (Einzel- und Gruppentherapie) annehmen können. Das muss man sehen, um ihre Ergebnisse nicht all zu kritiklos auf andere Populationen zu übertragen. Und mir scheint es durchaus erlaubt sich - angestoßen durch Lilla Sachses engagierte Arbeit - eine ähnliche sorgfältige therapeutische Begleitung auch im Rahmen anderer therapeutischer Schulen und Deutungsmuster vorzustellen.
Das große Verdienst dieses Buches ist es auf jeden Fall, darauf hingewiesen zu haben, dass der Kinderwunsch psychoseerfahrener Frauen nicht von vornherein lediglich als unbequeme Komplikation ge- und damit entwertet werden darf, sondern dass er zu jeder normalen Persönlichkeitsentwicklung hinzugehört und somit in der therapeutischen Begleitung anzunehmen ist. Einige Frauen entscheiden sich so begleitet dann durchaus mit guten Gründen gegen ein Kind. Für andere jedoch kann Schwangerschaft und Mutterschaft zu einem wichtigen Reifungsschritt werden. Obgleich Probleme und durchzustehende Krisen in den Kurzbiographien realistisch beschrieben werden, weisen die Erfahrungen Lilla Sachses darauf hin, dass gut begleitete psychoseerfahrene Frauen genauso »gute Mütter« sein können wie Frauen ohne Psychosen und dass die Kinder meist gut gedeihen.
Als Letztes sei noch erwähnt, dass bei Lilla Sachse therapeutische Begleitung sich nicht nur im psychologischen Bereich abspielt, sondern auch ganz konkrete praktische und prophylaktische Überlegungen z. B. zur Entbindungssituation und dazu, wer das Kind zwischenzeitlich versorgen könnte, wenn die Mutter aus psychotischen Gründen zeitweilig ausfallen sollte, beinhaltet.
Hierbei ist ein interessanter Nebenbefund, dass bei den von Lilla Sachse beschrieben Frauen diese Unterstützung in keinem Fall von den eigenen Müttern in Anspruch genommen wurde.
Mit diesem Buch ist es dem Paranus Verlag erneut gelungen, ein zu Unrecht an den Rand geratenes und vernachlässigtes Thema aufgegriffen zu haben.



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